Computersucht als Krankheit anerkennen

Kriminologe Pfeiffer fordert Umdenken

  • Lesedauer: 2 Min.
Der Amoklauf von Winnenden hat die Diskussion um gewaltverherrlichende Computerspiele neu entfacht. Einer aktuellen Studie zufolge gelten drei Prozent der 15-jährigen Jungen bereits als »computersüchtig«.

Hannover (ND/dpa). Die Zahlen sind alarmierend: Fast jeder sechste 15-jährige Junge verbringt täglich mehr als 4,5 Stunden mit Computer-Spielen, drei Prozent der männlichen Neuntklässler sind sogar von ihnen abhängig. Die Autoren der nach ihren Angaben bisher größten deutschen Jugendstudie zu Computerspielen forderten am Montag Konsequenzen aus den Ergebnissen. »Der Staat muss eine neue Alterseinstufung vornehmen«, sagte der Direktor des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen (KFN), Prof. Christian Pfeiffer. So müsse die Altersgrenze für das Spiel mit dem größten Suchtpotenzial, »World of Warcraft«, von derzeit 12 auf 18 Jahre angehoben werden.

Unterstützung bekommt der Kriminologe dabei von der niedersächsischen Sozialministerin Mechthild Ross-Luttmann (CDU). Sie will juristisch prüfen lassen, ob eine Änderung der Alterseinstufung umgesetzt werden kann. Bisher ist die Suchtgefahr kein Kriterium bei der Prüfung der Spiele durch die »Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle« (USK). Bei der USK stößt der Vorstoß auf Kritik. »Man sieht Spielen nicht an, ob sie exzessives Spielverhalten fördern«, sagte USK-Geschäftsführer Olaf Wolters der dpa.

Nach der KFN-Studie verbringen die abhängigen Spieler weit mehr Zeit vor dem PC, als sie eigentlich wollen, sie isolieren sich sozial, schwänzen die Schule, schlafen schlecht. Viele Eltern wüssten hingegen nicht, was in den Kinderzimmern passiert. »12,3 Prozent der Abhängigen haben schon häufig über Selbstmord nachgedacht«, berichtete Pfeiffer. Der Wissenschaftler hofft, »einen Anstoß zu geben, dass Computerspielsucht als Krankheit anerkannt wird«. Bisher müssten Abhängige sich unter dem Label Depression behandeln lassen, damit die Krankenkassen zahlten.

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