Revolution und Streiks
Jahrbuch für Forschungen zur Arbeiterbewegung
Es passt in die Zeit, wenn sich zwei der vier Aufsätze im neuesten Heft des »Jahrbuchs für Forschungen zur Geschichte der Arbeiterbewegung« mit der deutschen Revolution von 1918/1919 befassen. Ottokar Luban (Berlin) erörtert und korrigiert das von den Autoren der alten Bundesrepublik geprägte Bild über diese Revolution. Dabei untersucht er die propagandistische Revolutionsabwehr durch die Führung der Mehrheitssozialdemokratie und die militärische Konterrevolution. Er skizziert, wie die Revolution durch die Revolutionären Obleute vorbereitet wurde und zeichnet die Berliner Ereignisse am 8./9. November 1918 nach.
Auch so manche Darstellung aus der DDR wird dabei relativiert, ergänzt oder korrigiert. Benjamin Franz (Braunschweig) äußert sich zur Diskussion im Spartakusbund und in der jungen KPD über die Anwendung von Waffengewalt in der Revolution. Dieser Beitrag dürfte Diskussionen über definitorische Schwierigkeiten mit Begriffen wie Bewaffnung, Bürgerkrieg, Putschismus usw. auslösen.
Einem gänzlich anderen Thema wendet sich Peter Birke (Hamburg) zu. Er analysiert Streikkämpfe in Dänemark seit den 50er Jahren mit Blick auf die Transformation ihrer Inhalte und Formen. Der Autor vermutet eine bevorstehende zweite Transformation, die den Einfluss der Arbeiterbewegung über die Grenzen des einzelnen Betriebes hinaus wieder auf gesamtgesellschaftliche Veränderungen lenken könnte. Arno Gräf (Berlin) geht weiter zurück in die Geschichte, behandelt die relativ kleine Organisation der FDJ in Schottland zwischen 1942 und 1946. Eingeordnet in die Entwicklung der FDJ in Großbritannien entwirft er ein imponierendes Bild ihrer Aktivitäten in den Anti-Hitler-Streitkräften und an der britischen »Heimatfront«, von ihren vielfältigen Bündnisbeziehungen und Solidaritätsaktionen, von Kultur- und Öffentlichkeitsarbeit bis zu ihren Vorbereitungen auf die Rückkehr in ein neu zu gestaltendes antifaschistisches Deutschland.
Regionalgeschichtliches aus Sachsen bringt Manfred Lachmann (Dresden) mit einer Episode aus der Revolution 1848/1849 ein. Handlungsort ist die Garnisonsstadt Wurzen. Mit dem Blick auf die widersprüchliche Entwicklung zwischen Serben und Albanern und somit auf historische Hintergründe eines aktuellen Konflikts publiziert Erwin Lewin (Berlin) ausführlich kommentierte und historisch eingeordnete Dokumente zum antifaschistischen Widerstand in Kosova. Ein besonderes Highlight ist die von Christa Hinckel (Berlin) gebotene Würdigung von Nadeshda Krupskaja, Lenins Frau, durch die erstmalige deutschsprachige Veröffentlichung von Briefen aus den Jahren 1923 bis 1938. Gründliche Konferenzberichte und kompetente Rezensionen komplettieren das Heft.
Zu danken ist dem auch diesmal wieder hochinteressanten und gediegenen Heft vor allem auch Herbert Mayer, der die Redaktion seit 2002 fachkundig und ehrenamtlich leitet und kürzlich in sein siebentes Lebensjahrzehnt eingetreten ist.
»Jahrbuch für Forschungen zur Geschichte der Arbeiterbewegung«, 2009/I, 217 S., br., 10 EUR; ISSN 1610-093X, zu beziehen über die Redaktion, Weydingerstraße 14-16, D-10178 Berlin, und den Buchhandel.
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