Paar Sekunden Krieg

Ab Sonntag im ZDF: »Krupp – eine deutsche Familie«

  • Hans-Dieter Schütt
  • Lesedauer: 3 Min.

Der »Rote«, der Kommunist, hat etwas besonders Grobschlächtiges. Zweimal darf er auftreten, einmal, um von seinem Stahlarbeiter-Kollegen abgebürstet zu werden, von wegen Solidarität und Kampf, wozu das denn! – bei Krupp hätten die Arbeiter doch alles. Und beim zweiten Auftritt, jetzt hat sein Gesicht etwas auffällig Zwiespältiges, Hinterhältiges, ja Dummes, da muss er zum Botschafter der Gerüchte um Fritz Krupp werden, den Chef des Stahlwerkes, der in Italien seinen homosexuellen Neigungen nachgeht. Die Gerüchte sind nicht nur Gerüchte, aber natürlich müssen es Gerüchte bleiben (der Kaiser ist entsetzt!), und die »Sozis«, wer sonst«!, haben sie verbreitet, und das tumbe Arbeitergesicht ist gegen die Sympathie gesetzt, die sich inzwischen aufgebaut hat im Film, Sympathie mit den Krupps und also auch mit dem Chef – den Fritz Carl spielt, als würde der Film liebend gern in eine neue Version von Thomas Manns »Tod in Venedig« hinübergleiten.

Das hier ist aber nicht Thomas Mann, das ist eine härtere Geschichte: »Krupp – Eine deutsche Familie« läuft am Sonntag an, ein Dreiteiler, Regie: Carlo Rola, und in diesen Zeilen soll es zunächst nur um diesen ersten Teil gehen. Der Film wechselt die Zeiten, beschaut sich die Jahrhundertanfänge des Essener Konzerns, blendet ins Jahr 1957. Iris Berben als alte Bertha Krupp, todkrank, zerfressen von den Sorgen um Eisen, Erbe und Erfolg, das einst Aufragende nun eine Ruine von Mensch.

Der Film schwelgt, er hat schöne Bilder, er hat Gefühl für jenes Tempo, das Melancholien erzeugt, er hat den schwärmerischen Blick fürs Herrschaftliche im Grünen und im mondän Dämmrigen der Villa Hügel. Er zeigt den Ersten Weltkrieg, dem Krupp das zerfetzende Material liefert, als eine sekundenlange Landschaftsmalerei vor Verdun; Leiber zucken, und ein weißes Pferd läuft durchs Elend der Szene. Das war's.

Und so geschehen viele Szenen wie eine Flucht aus der Wucht des geschichtlichen Vorgangs, der ökonomische Macht und politische Verhältnisse zu jener deutschen Liaison machte, die doch weit mehr wäre als ein düsteres, von Intrigen und Kälte durchsetztes Familienbild, zurechtgemacht für einen Hauptsendetermin des romantischen Erinnerns. Des Erinnerns an eine deutsche Firma, die nach ersten neunzig Film-Minuten eher für ständig umlauerte und bedrohte unternehmerische Tugend steht als für bereitwillig katastrophische Auftragsgier.

Wohltuend, dass (außer zum Beispiel Heino Ferch als Gustav von Bohlen und Halbach) meist unverbrauchte Fernsehgesichter auftauchen. Sichtbar auch dramaturgisches Mühen, Zeitläufte des Jahrhunderts und Verstrickungen der Krupps in die Verhängnisse eines siegreichen Profitierens einzubinden – nach dem ersten Teil aber steht schon der Verdacht großer Mutlosigkeit gegenüber drängenden Fragen, was Krupp an Schuldvermögen anhäufte.

  • Krupp – eine deutsche Familie, 22., 23., 25. 3., jeweils 20.15 Uhr im ZDF
  • In unserer Montagausgabe: Krupp, Krause und das Schicksal des großen Fernsehromans
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