Bratislava vor einer Premiere

Amtsinhaber oder Frau – die Slowaken wählen ihr Staatsoberhaupt

  • Olaf Standke
  • Lesedauer: 3 Min.
Sieben Kandidaten bewerben sich heute im ersten Wahlgang um das slowakische Präsidentenamt. Favorit ist Ivan Gasparovic.

Vieles spricht für Amtsinhaber Ivan Gasparovic. Der Rechtswissenschaftler ist ein beliebtes Staatsoberhaupt, nicht zuletzt weil er sich in der puckverrückten Slowakei als großer Eishockeyfan präsentiert. Daran ändern auch gelegentliche verbale Ausrutscher nichts, etwa wenn er als eine Art slowakischer George W. Bush aus dem Lissabon-Vertrag der EU den »Vertrag von Libanon« macht. Zudem hat der 67-Jährige den Rückhalt von Regierungschef Robert Fico von der Linkspartei Smer-Sozialdemokratie und von Jan Slota, dem Chef der einflussreichen rechten Slowakischen Nationalpartei.

In Umfragen kam der parteilose gemäßigte Nationalist Gasparovic, der Kontinuität und seine guten Beziehungen zu den Politikern der Koalitionsregierung gerade in Zeiten der Krise als Voraussetzung für die Stabilität des Landes betont, auf über 50 Prozent Zustimmung. Sein Credo »National denken, sozial fühlen« spricht viele Slowaken an. Allein der nie um deftige Worte verlegene Populist Vladimir Meciar, einst enger Parteifreund und späterer Rivale im Kampf um die Präsidentschaft, lässt an ihm kein gutes Haar. Klüngelpolitik mit dubiosen Unternehmergruppen wirft er ihm vor, und überhaupt sei da viel zu viel Steuergeld für eine jahrelange »demütigende« Präsidentenvorstellung ausgegeben worden.

Glaubt man den Demoskopen, könnte Gasparovic nur eine Kandidatin vielleicht gefährlich werden. Angesichts des slowakischen Wahlrechts ist ein weiterer Urnengang fast programmiert, denn um schon im ersten Anlauf zu siegen, müsste man die absolute Mehrheit aller rund vier Millionen Stimmberechtigten auf seine Seite ziehen. Erwartet wird aber nur eine Wahlbeteiligung von 36 bis 41 Prozent. Rund ein Drittel von ihnen unterstützt die frühere Arbeitsministerin Iveta Radicova, gemeinsame Kandidatin der wichtigsten christdemokratischen Oppositionsparteien und der rechtskonservativen Ungarnpartei SMK. Eine klerikal-konservative Splitterbewegung schickt den Ex-Dissidenten Frantisek Miklosko ins Rennen.

Die Hochschulprofessorin kam mit einer Kampagne im lockeren Stil Obamas – auch via Internet – besonders bei jungen Leuten gut an. Ihr Slogan »dokazeme to« (Wir schaffen es) erinnert an das berühmte »Yes, we can«. Neben ihrer Kompetenz in Wirtschaftsfragen stellte die Soziologin die Bildungspolitik in den Vordergrund. Doch musste sich die 52-Jährige auch heftige Angriffe von orthodoxen Bischöfen und Priestern gefallen lassen. Sei die Witwe doch »für Katholiken nicht wählbar«, weil sie sich nicht eindeutig für ein Abtreibungsverbot ausgesprochen habe und sündig »in einem offenen Konkubinat« lebe. Und 70 Prozent der Bevölkerung in der Slowakei sind katholisch.

Möglicherweise kann Iveta Radicova in einer Stichwahl aber doch Wähler anderer Kandidaten ins eigene Boot holen, meint die Politikwissenschaftlerin Olga Gyarfasova. Gasparovic stehe »für die Kontinuität sowohl der kommunistischen Vergangenheit des Landes als auch der jetzigen Regierungskoalition«, Radicova verkörpere hingegen den politischen wie auch den Generationswechsel.

Allerdings hat das slowakische Staatsoberhaupt ähnlich dem Bundespräsidenten in Deutschland eher eine repräsentative Funktion, was auch den schaumgebremsten Wahlkampf erklärt. Hacker-Angriffe auf einzelne Kandidaten-Homepages sorgten in den vergangenen Wochen noch für das größte Aufsehen. Dabei gibt es zwischen Bratislava und Kosice Probleme genug. Die Wirtschafts- und Finanzkrise hat auch die Slowakei erfasst, selbst wenn sie noch immer eines der wachstumsstärksten Länder Osteuropas ist. Die Arbeitslosenrate stieg auf knapp zehn Prozent und werde weiter wachsen, prognostiziert die staatliche Zentrale für Arbeit, soziale Angelegenheiten und Familie.

So oder so steht die Slowakei aber vor einer Premiere: Entweder wird Ivan Gasparovic als erster slowakischer Staatspräsident für eine zweite Amtszeit wiedergewählt, oder mit Iveta Radicova wird zum ersten Mal eine Frau zum Staatsoberhaupt bestimmt. Spätestens nach dem zweiten Wahlgang am 4. April sind alle klüger.

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