nd-aktuell.de / 23.03.2009 / Sport / Seite 14

Der Politprofi triumphiert

BDR-Präsident Rudolf Scharping bleibt für weitere vier Jahre im Amt

Christian Heinig, Leipzig

Dieter Berkmann, der Herausforderer, steht am Rednerpult. Er wirkt verunsichert. Gern würde er sein Konzept, das den eingängigen Titel »Agenda 2012-2016« trägt, vortragen. Es ist seine Wahlkampfrede. Die Abstimmung steht unmittelbar bevor, jetzt gilt es. Doch er wird unsanft gebremst. Eine Rede sei in Ordnung, stammelt Harald Pfab, der Vizepräsident des Bundes Deutscher Radfahrer (BDR), der rechts von Berkmann auf dem Podium sitzt und das Prozedere leitet, aber dazu eine Präsentation über den Video-Beamer mit Folien, »das sei nicht bis ins Präsidium durchgedrungen«. Berkmann wird unruhig, seine Stimme zittert.

Doch dann geschieht etwas Erstaunliches im Ballsaal des noblen Leipziger West In Hotels, dem Ort, an dem am Sonnabend der BDR seine Jahreshauptversammlung abhielt und überdies einen Präsidenten zu wählen hatte. Ausgerechnet Rudolf Scharping, der amtierende BDR-Chef, der Mann, den Berkmann an diesem Tag vor hat zu stürzen, ergreift die Initiative: »Wenn Herr Berkmann seine Rede mit einer Präsentation vortragen will, dann soll er das tun«, verkündet Scharping, der ebenfalls auf dem Podium seinen Platz hat. Vor ihm sind die Delegierten der 17 Landesverbände versammelt. Sie sind einverstanden.

Scharping wirkt in diesem Moment, so kurz vor der Entscheidung über seinen Amtsverbleib, äußerst souverän, geradezu gönnerhaft, als wisse er bereits, den Sieg ohnehin sicher zu haben. Eine gute Stunde später, nach einer teils chaotischen Abstimmung – die erste Wahl musste wiederholt werden, weil ein TV-Team die Stimmabgabe gefilmt hatte und zudem Fehler in den Wahlblöcken aufgetreten waren – ist es dann amtlich: 399 Stimmen fallen auf Scharping, 174 auf Berkmann, eine ist ungültig. Rudolf Scharping ist zufrieden. Er sagt: »Die Prognosen waren immerhin viel schlechter.«

Erstmals seit 60 Jahren war eine Kampfabstimmung um das Präsidentenamt nötig – und das ausgerechnet am Ort der BDR-Gründung vor 125 Jahren. Die Jubiläumsgala am Freitagabend geriet da zur Nebensache. Zumal die heftige Kritik der letzten Wochen an Scharpings Amtsführung für ein Misstrauensvotum zu reichen schien. Gegenwind gab es reichlich. Die Opposition um Berkmann, dem 58-jährigen Orthopäden aus Miesbach, hatte Scharping mangelhafte Aufräum- und Antidopingarbeit vorgeworfen. Das fand auch eine Prüfgruppe des Innenministeriums, weshalb Scharping noch im November 2008 vor den Sportausschuss des Bundestages zitiert wurde. Auch namhafte Spitzensportler hatten sich gegen Scharping ausgesprochen.

Und dann ist da noch Burckhard Bremer, der umstrittene Leistungssportdirektor. Selbst Scharping räumte jüngst ein, Bremer sei ein »autoritärer Sack, dem man aber keine Erfolglosigkeit vorwerfen kann«. Trotz massiver Kritik diverser Funktionäre und Athleten wurde Bremers Vertrag vor Olympia 2008 verlängert, mit freundlicher Gewähr des BDR-Chefs.

Doch mit seiner Wiederwahl hat Scharping bewiesen, dass er als ehemaliger Politiker weiß, wie man Mehrheiten organisiert. Dieter Kühnle, der sich 2007 aus Scharpings Präsidium zurückzog und mit Berkmann als Frontmann die Opposition steuerte, sagte: »Die großen Blöcke Bayern und Baden-Württemberg standen. Etwa 150 Leute waren noch unentschieden.« Hier konnte Scharping punkten. Für Kühnle kam das nicht überraschend: »Rudolf Scharping kann Wahlreden halten, er ist halt Politprofi. Man hat sich von seiner Wahlkampfrede beeinflussen lassen.« Der gescheiterte Berkmann meinte nach der Abstimmung enttäuscht: »Ich bin an der Sturheit der Delegierten gescheitert. Sie haben ihre Kritik nicht zum Ausdruck gebracht.«

Gleich zu Beginn der Jahreshauptversammlung hatte Scharping sein Können bewiesen. 18 Minuten dauerte seine Ansprache, offiziell als »Bericht des Präsidenten« im Protokoll geführt. Er knöpfte sich einige Kritiker vor, stellte sich demonstrativ hinter Bremer, der sich zwar manchmal so ausdrücke, »dass sich der eine oder andere verletzt fühlt«, dem konzeptionell aber nichts vorzuwerfen sei. Zudem rühmte er sich, auf der Geburtstagsfeier seiner Frau 35 000 Euro für den Radsport gesammelt zu haben.

Berkmanns Ansatz, statt die Versäumnisse der Gegenseite anzuprangern, lieber das wohl aufbereitete Konzept für sich sprechen zu lassen, wirkte dagegen etwas leblos. »Ich hatte ihm geraten, aggressiver zu sein, doch das wollte er nicht«, sagte Kühnle.

Immerhin: Scharping signalisierte direkt nach der Abstimmung, Berkmann in die künftige Arbeit des BDR einzubeziehen. Berkmann selbst meinte, seine Kandidatur habe viel bewegt: »Die Führung ist aus der Deckung gekommen.« Eine Veränderung gab es bereits: Mit dem auf der Versammlung neu gewählten Vizepräsidenten Leistungssport, Günter Schabel, hat Sportdirektor Bremer künftig einen Aufpasser an der Seite.