Die Logik der Null funktioniert nur mit Moskau

  • Kate Hudson
  • Lesedauer: 3 Min.
Es wird deutlich, dass in einer Ära der atomaren Abrüstung alle Pläne von der Erneuerung der Kooperation mit Russland abhängig sind.

In den wenigen Monaten, seit US-Präsident Bush aus dem Amt ausgeschieden ist, haben sich die Rahmenbedingungen verbessert, um die nukleare Abrüstung voranzubringen. Die großen Hoffnungen, die viele auf Barack Obama setzen, werden sich auf einigen Feldern als utopisch erweisen. Es gibt aber keinen Zweifel daran, dass der neue Präsident einen deutlich anderen Kurs als Bush verfolgt – im Bereich der nuklearen Abrüstung hat die Veränderung bereits begonnen.

Die in den vergangenen Jahren stark gewandelte Haltung der USA gegenüber der nuklearen Abrüstung wirkt sich nun auf Europa und den Rest der Welt aus. Jene Stimmen, die US-amerikanische Initiativen für eine globale Ächtung nuklearer Waffen favorisieren, haben inzwischen das gesamte politische Spektrum erfasst. Zu den bekanntesten Befürwortern gehören Henry Kissinger und George Shultz. In der jüngsten Ausgabe des US-amerikanischen Politikmagazins »Foreign Affairs« unterstützen auch Ivo Daalder und Jan Lodal dieses Konzept. Sie vertreten einen Ansatz, den sie »Die Logik der Null« nennen. Die USA müssten diplomatische Anstrengungen unternehmen, um die Welt von dieser Abrüstungslogik und vom Beginn der notwendigen Schritte für ihre Umsetzung zu überzeugen.

Die Vision einer nuklearwaffenfreien Welt wurde von den Präsidentschaftskandidaten Barack Obama und John McCain unterstützt und in den USA überraschenderweise nicht kontrovers diskutiert. Obama sprach während des Wahlkampfes oft über Atomwaffen. Zum Beispiel sagte er, dass eine Welt ohne Nuklearwaffen ein grundlegendes Interesse der USA und aller Staaten sei und dass alle in der Pflicht ständen, diese Vision wahr zu machen.

Die große Frage ist, wie diese Aussagen in die Tat umgesetzt werden. Bisher gibt es durchaus positive Signale, aber zunehmend wird auch deutlich, dass in einer Ära der Abrüstung alle Pläne von der Erneuerung der Kooperation mit Russland abhängig sind. Als ein Schlüsselelement für die globale Abschaffung der Atomwaffen bezeichnet Obama die bilaterale Abrüstung zwischen Russland und den USA. Er plädiert mit Blick auf das START I-Abkommen zur Verringerung der strategischen Arsenale für eine Verlängerung oder einen Ersatz, bevor es im Dezember 2009 ausläuft. Obama erwägt auch eine Zusammenarbeit mit Russland, um ballistische Raketen aus dem Zustand der akuten Alarmbereitschaft zu nehmen.

Alle diese Bestrebungen sind zu begrüßen, doch gibt es derzeit ein Hindernis auf dem Weg zu verbesserten Beziehungen mit Moskau, den sogenannten Raketenabwehrschild der USA. Dieses Abwehrsystem, das Washington unter Präsident Bush wild entschlossen in Europa installieren wollte, würde den Vereinigten Staaten die Fähigkeit geben, eine anderen Staat anzugreifen, ohne Vergeltungsschläge befürchten zu müssen. Vor allem nachdem die Militärbasen für den Raketenabwehrschirm in Polen und Tschechien geplant sind, ist es nicht überraschend, dass sich Russland als potenzielles Ziel dieses Schildes sieht.

Die Beziehungen verschärften sich so weit, dass der russische Präsident Medwedjew im Falle der Installation des Systems drohte, Iskander-Raketen in Kaliningrad aufzustellen. Obamas Position in Sachen Raketenabwehr ist also entscheidend für Fortschritte in anderen Bereichen. Die Erklärung von Vizepräsident Joe Biden, die USA wollten einen Neuanfang in den Beziehungen zu Russland, schloss auch die Möglichkeit ein, vom Projekt der Raketenabwehr Abstand zu nehmen. Inzwischen hat Russland die Pläne zur Stationierung der Iskander-Raketen zurückgezogen.

Präsident Obama scheint verstanden zu haben, dass er mit Russland nur auf einen Nenner kommen wird, wenn er das kriegerische Verhalten seiner Vorgänger sowohl mit Blick auf den Raketenabwehrschirm als auch in Sachen nuklearer Abrüstung ablegt. Für die USA ist es an der Zeit zu begreifen, dass wir in einer multipolaren Welt leben. Wenn Barack Obama gegen diese Realität angeht, wird sein Traum der Veränderung an den Felsen eines andauernden Krieges zerschellen.

Kate Hudson ist Vorsitzende der britischen »Campaign for Nuclear Disarmament« (CND).

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