nd-aktuell.de / 28.03.2009 / / Seite 20

Ruth, Egon & der Frieden

Freunde begleiteten die US-amerikanische Lehrerin Ruth Turner am Dienstag, dem 28. März 1989, zum Frauengefängnis Preungesheim in Frankfurt am Main, wo sie eine 20-tägige Haftstrafe antreten musste – dazu verurteilt, weil sie 1986 vor dem US-Raketenstützpunkt in Mutlangen demonstriert hatte. Die 52-Jährige (ND-Foto: Oertel) sei die erste US-Bürgerin, die wegen Friedensengagements in der BRD inhaftiert wurde, berichtete ND und informierte zugleich über die in jenen Tagen im Westen stattfindenden Ostermärsche. Hunderttausende forderten u. a.: »Militärisch abrüsten und sozial aufrüsten!« Ein ND-Kommentar machte die (durchaus noch aktuelle) Rechnung auf, wie die für den neuen Bundeswehr-»Jäger« verschleuderten Milliarden D-Mark sinnvoller in neue Arbeitsplätze, Bildung und erschwingliche Wohnungen hätten investiert werden können. Karsten Voigt, außenpolitischer Sprecher der SPD, warf der Kohl-Regierung vor, sowjetische Abrüstungsinitiativen mehr zu fürchten als Sowjetraketen. Tatsächlich gingen von den Warschauer Vertragsstaaten zahlreiche Abrüstungsvorschläge aus, nicht nur, weil die Rüstungsspirale den Osten in den Ruin trieb. Die Friedensbekenntnisse der DDR waren keine leeren Phrasen, Honeckers Satz »Das Teufelszeug muss weg!« ernst gemeint. Dass man indes Ostermärsche im eigenen Land nicht duldete und die Initiatoren der »Schwerter zu Pflugscharen« diffamierte, statt als Verbündete anzusehen, kann man heute nur töricht nennen.

Der bedrohliche Grad der Aufrüstung belebte den deutsch-deutschen Dialog auf diversen Ebenen. Am 29. März 1989 berichtete ND auf Seite 1 über ein Seminar von Bundeswehr- und NVA-Offizieren am Hamburger Institut für Friedensforschung unter der Direktion von Egon Bahr. In der gleichen Ausgabe war ein Bericht aus Athen zu lesen, wo sich Vertreter von 130 Friedensbewegungen aus 70 Ländern, darunter der Friedensrat der DDR, getroffen hatten. Dieser »ersten Friedensolympiade« sollten weitere alle drei Jahren in jeweils anderen Städten der Welt folgen. Diese Idee starb mit 1990. K.V.