Werbung

Was kommt nach der Verstaatlichung?

Die Zukunft der schwer angeschlagenen Hypo Real Estate steht in den Sternen

Die Bundesregierung bereitet die Übernahme der HRE vor. Doch was dann wird, bleibt im Dunkeln – wie auch das finanzielle Risiko.

Am Freitag hat der Bundesrat das »Rettungsübernahmegesetz« der Bundesregierung verabschiedet. Es ergänzt das Finanzmarktstabilisierungsgesetz vom Herbst, in dem die Gründung des Bankenrettungsfonds SoFFin geregelt ist, und beinhaltet die Möglichkeit, Banken zu verstaatlichen und, wenn nötig, die bisherigen Aktionäre zu enteignen.

Es gibt freilich nur einen Kandidaten: die Hypo Real Estate (HRE). Der Bund ist bei dem Immobilien- und Staatsfinanzierer bereits mit 8,7 Prozent eingestiegen und bereitet die Komplettübernahme vor. Wegen der Liquiditätsprobleme drängt die Zeit. »Spätestens bis Mai muss die Entscheidung gefallen sein«, sagt der Chef des SoFFin, Hannes Rehm.

Zuletzt gab es alle paar Monate weiteren Refinanzierungsbedarf bei der HRE, der sich nur mittels immer neuer Garantien des Bundes decken ließ. Diese umfassen bislang rund 87 Milliarden Euro plus 15 Milliarden vom Bankensektor. Nach bisheriger Darstellung ist das Hauptproblem des Finanzkonzerns die »Fristentransformation«. Um die Rendite zu steigern, habe man langfristige Kredite durch kostengünstige kurzfristige Mittelaufnahme refinanziert. Dieses riskante Wettspiel geht wegen der Finanzkrise nicht mehr auf – neue Kredite erhält die HRE am Markt kaum noch oder nur zu hohen Kosten. Aus diesem Grunde, so die Darstellung der Regierung, sei eine Verstaatlichung der günstigste Ausweg. Die Hypo Real Estate könnte dann bei der Kreditaufnahme von der Bonität des Bundes profitieren und sich erheblich günstiger refinanzieren. Und bisherige Garantien würden nicht fällig werden.

Nur ist dies wirklich alles? Kürzlich gab die HRE für das abgelaufene Geschäftsjahr einen gewaltigen Verlust von knapp 5,4 Milliarden Euro bekannt. Die Situation ist so dramatisch, dass die Eigenkapitalquote unter die gesetzliche Min-destananforderung von vier Prozent sank. Die Rede ist von einem Kapitalbedarf von bis zu 10 Milliarden Euro. Die ausgewiesenen Verluste stammen übrigens zu einem Gutteil aus dem Posten »Abschreibungen auf immaterielle Vermögenswerte«. Allein sogenannte strukturierte Produkte steuerten 1,1 Milliarden zu den Verlusten bei. Hierbei handelt es sich vor allem um die berühmt-berüchtigten »Collateralized Debt Obligations« und hypothekenbasierte Wertpapiere, deren Marktzusammenbruch den Beginn der Finanzkrise bildete. Und HRE-Chef Axel Wieandt teilte mit: »Mindestens für die nächsten beiden Jahre ist mit einer Verlustsituation zu rechnen.« Müsste nach einer Verstaatlichung der Steuerzahler dafür geradestehen?

Tiefrot sind die Zahlen bei der HRE-Tochter Depfa. Die in der Kohl-Ära privatisierte Deutsche Pfandbriefanstalt war spezialisiert auf die besonders sicheren und staatlich stark regulierten Pfandbriefe sowie Staatsfinanzierung. Doch um die eher niedrigen Margen hochzutreiben, wurden auch hoch riskante Geschäfte betrieben. So sollen Pfandbriefe und Immobilienrisiken in CDOs verpackt worden sein, heißt es aus dem SoFFin-Kontrollgremium. Im Spiel seien auch wacklige Kreditausfallversicherungen des angeschlagenen US-Konzerns AIG gewesen.

2007 wurde die Depfa von der HRE übernommen, in der wiede-rum Immobilienrisiken der HypoVereinsbank geparkt worden waren. Selbst der Chef der Bundesfinanzaufsicht BaFin, Jochen Sanio, bezeichnete vor Bundestagsabgeordneten die HRE schon mal als »Drecksbank«.

Angesichts dessen wäre es naheliegend, dass die Bundesregierung vor einer Verstaatlichung erstmal die gesamten Risiken ermittelt, bevor man auf dieser Grundlage ein Rettungskonzept erarbeitet. Der »Stern« berichtete kürzlich über ein dem Finanzministerium vorliegendes Gutachten, wonach sich die Risiken bei der HRE auf bis zu 60 Prozent der Bilanzsumme von insgesamt 400 Milliarden Euro belaufen. Ministeriumssprecher Stefan Olbermann sagte gegenüber ND, solche Zahlen würden lediglich »Worst-Case-Szenarien« widergeben, die sich im Falle einer Komplettübernahme durch den Staat »in Luft auflösen«. Das tatsächliche Risiko könne man »am Ende nicht beziffern«.

Klar für die Zukunft der HRE ist bislang nur, dass versucht werden muss, die nicht-zukunftsfähigen Teile von den zukunftsfähigen zu trennen und dann zurückzuführen. Doch was wird dies kosten und wie genau soll dies geschehen? »Sie wissen es nicht«, verlautet aus dem Kontrollgremium des SoFFin mit Blick auf den Bund. Ministeriumssprecher Olbermann erklärte, man werde sich auch nach einer Komplettübernahme der HRE »in das operative Geschäft im engeren Sinne nicht einmischen«.

#ndbleibt – Aktiv werden und Aktionspaket bestellen
Egal ob Kneipen, Cafés, Festivals oder andere Versammlungsorte – wir wollen sichtbarer werden und alle erreichen, denen unabhängiger Journalismus mit Haltung wichtig ist. Wir haben ein Aktionspaket mit Stickern, Flyern, Plakaten und Buttons zusammengestellt, mit dem du losziehen kannst um selbst für deine Zeitung aktiv zu werden und sie zu unterstützen.
Zum Aktionspaket

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal