Wütende Pazifisten

Explosive Melange aus Repression und Frustration

  • Jens Herrmann, Straßburg
  • Lesedauer: 2 Min.

In Straßburg kam in den vergangen Tagen für den Protest gegen den Jubiläumsgipfel der NATO einiges zusammen. Eine extrem repressive Polizeistrategie diesseits und jenseits der Grenze. Massive juristische und polizeiliche Einschränkungen des Grundrechts auf Demonstrationsfreiheit – bis an den Rand der systematischen Verhinderung.

Dazu kam die Wut junger Migranten aus den französischen Vorstädten und die zahlreicher militanter Antikapitalisten unter den Globalisierungsgegnern. Die Dynamik des sozialen Protests angesichts der ökonomischen Krise sorgte für zusätzlichen Zündstoff. Das trotz alledem der Protest gegen die NATO in Form von rund 30 000 Demonstranten aus verschiedenen europäischen Friedensgruppen sichtbar blieb, ja überhaupt stattfinden konnte, ist ein großer Erfolg der NATO-Gegner.

Auf die Rheininsel abgeschirmt, abgeriegelt und abseits jeder Öffentlichkeit hatten die Behörden den Protestmarsch weit weg von den Regierungschefs verbannen wollen. Entsprechend groß war die Wut, als die deutsche Polizei dann auch noch den deutschen Pazifisten den Weg über die Europabrücke zur Demo versperrte. Ohnehin fuhr in der Region kein Bus und keine Bahn mehr, Grenzübergänge waren blockiert, Autobahnen gesperrt.

Die Aktionen gegen die NATO seien »angemessen, sinnvoll, notwendig und richtig« gewesen, betont der Mitorganisator der Proteste, Reiner Braun. Zwar seien Protestformen wie Sachbeschädigung oder Gewalt gegen Personen nicht im Sinne der Friedensbewegung, jedoch sei bei diesem Gipfel eine einzigartige Strategie der Aggression gegen die friedlichen Demonstranten von der Polizei verfolgt worden.

Brauns erster Einschätzung nach geht ein großer Teil der Krawalle im Vorfeld und während der Demonstration auf die Polizei selbst und die Wut frustrierter Jugendlicher zurück.

Zuvor seien erfolgreiche friedliche Blockaden von der Polizei brutal angegriffen worden und zahlreiche Demonstranten auch auf französischer Seite daran gehindert worden, an der Demonstration teilzunehmen. Von Randale aus der Demonstration heraus distanzieren sich die Organisatoren des Protests klar, so Braun. Doch man müsse nach den Gründen schauen und da habe auch die Polizei ihren Anteil. Zudem müsse »man sich Gedanken machen was da schief läuft, wenn so viele junge Menschen zu diesen Mitteln greifen«.

Viele französische Demonstranten sehen die gewaltsamen Auseinandersetzungen etwas entspannter, denn auch bei französische Bauern- und Gewerkschaftsdemos kommt es regelmäßig zu Zusammenstößen und Randale. So packte mancher französische Gewerkschafter erstmal ein Baguettebrot aus, während seinem deutschen Kollege der Angstschweiß langsam auf die Stirn trat, als während der Demo Barrikaden errichtet wurden und Tränengasgranaten flogen. Denn zu guter Letzt trafen in Straßburg auch verschiedene Protestkulturen aufeinander.

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