Wohnen im Wasserturm

163 Wassertürme stehen im Land Brandenburg. Sie entstanden in den Jahren von 1860 bis 1972, und über 100 von ihnen genießen Denkmalschutz. Nachgewiesen sind 40 weitere Wassertürme, die aber abgerissen oder im Krieg zerstört worden sind. Wahrscheinlich gab es allerdings noch mehr Türme. Günter Nagel hat dazu jahrelang recherchiert und jetzt mit »Kugelköpfe und Backsteingotik« einen Reiseführer zum Thema vorgelegt.

Das Buch enthält Fotos und Beschreibungen von etwa 50 ausgewählten Wassertürmen an 35 Orten. Die Zeit dieser Türme kam mit der industriellen Revolution des 19. Jahrhunderts. Die Eisenbahn brauchte Wassertürme für ihre Dampflokomotiven. Kommunen benötigten Wasserwerke, um die oft nahe beieinander liegenden Brunnen und Abortgruben durch Trinkwasserleitungen und eine Kanalisationen abzulösen – denn so konnten Epidemien in den schnell wachsenden Städten eingedämmt werden. Für den Druck im Leitungsnetz sorgten die hoch gelagerten Wasserbehälter in den Türmen. Militär, Irrenanstalten und Werke erhielten mitunter eigene Wassertürme. Gestaltet sind die Bauwerke in verschiedenen Stilrichtungen. Mal erinnern sie an mittelalterliche Burgen wie in Bad Wilsnack, mal sind sie dem Expressionismus verpflichtet, so in Falkenberg/Elster.

Für die Singer-Nähmaschinenwerke in Wittenberge projektierte Felix Ascher einen Wasserturm, der durch die angebrachten großen Uhren auffällt. In Neuenhagen vereinte Baurat Wilhelm Wagner 1926 den Wasserturm mit dem Rathaus in einem Neubau. Den Wasserturm an der Autobahnbrücke Niederlehme ließ der Unternehmer Robert Guthmann für seine Kalksandsteinwerke errichten. Für den Bau nahm er das Material aus den Rüdersdorfer Brüchen. Als architektonisches Vorbild wählte Guthmann ein Wahrzeichen Istanbuls, den Galata-Turm, den er bei einer Türkeireise gesehen hatte.

Im 20. Jahrhundert sorgten zunehmend moderne Pumpen für den notwendigen Druck. Viele Türme verloren dadurch ihre Funktion, einige sind jedoch bis heute in Betrieb. Andere dienen als Wohnung, so einer in der Nähe des Calauer Bahnhofs oder gleich zwei in der Lindenstraße von Fürstenwalde. In einem 1970 stillgelegten Wasserturm am Bahnhof von Wriezen befand sich zeitweilig die Touristeninformation samt Fahrradverleih, einen Turm in Joachimsthal krönt eine Aussichtsplattform. Im Anhang des Buches findet sich eine Liste aller gegenwärtig noch existierenden Wassertürme im Land Brandenburg.

Günter Nagel: »Kugelköpfe und Backsteingotik. Wassertürme in Brandenburg«, Findling, 128 Seiten (brosch.), 9,50 Euro, ND-Buchbestellservice, Tel.: (030) 29 78 17 77

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