Ungleiche Partnerschaft

  • Helmuth Markov
  • Lesedauer: 3 Min.
Der Abgeordnete der LINKEN ist Vorsitzender des Ausschusses für internationalen Handel des Europäischen Parlaments.
Der Abgeordnete der LINKEN ist Vorsitzender des Ausschusses für internationalen Handel des Europäischen Parlaments.

Ende März haben die Europaabgeordneten ihre Zustimmung zum ersten umfassenden Wirtschaftspartnerschaftsabkommen (WPA) gegeben. Es betrifft die Handels- und Wirtschaftsbeziehungen mit 15 karibischen Staaten. Dieser Vertrag ist Teil einer ganzen Reihe von Übereinkünften, die die EU eigentlich schon bis Ende 2007 mit 79 Staaten in Afrika, der Karibik und der Pazifikregion (AKP) geschlossen haben wollte. Dass es dazu nicht gekommen ist, hat wichtige Gründe.

Handel und Entwicklungskooperation sind zentrale Mechanismen im Kampf um die Überwindung von Armut und beim Aufbau wirtschaftlich und sozial stabiler Volkswirtschaften. Dazu gehört vor allem auch die Unterstützung der Entwicklungsländer beim Ausbau von Infrastruktur, Gesundheitsversorgung, Ernährungssouveränität, funktionierenden Sozialsystemen, Bildung und kulturellem Austausch. In der Vergangenheit basierten die Handelsbeziehungen der EU zu den AKP-Staaten auf nicht-reziproken Handelspräferenzen, die den meisten in den AKP-Staaten hergestellten Produkten zollfreien Zugang zum EG-Binnenmarkt erlaubten. In den neuen WPA sollten die Handelspräferenzen durch WTO-kompatible Vereinbarungen ersetzt werden.

Die vorliegenden Wirtschaftspartnerschaftsabkommen sind vor allem Handelsabkommen, da sie zu 90 und mehr Prozent Fragen des Marktzugangs und andere Bereiche der Handelspolitik betreffen. Es geht dabei um die schrittweise Liberalisierung des Handels zwischen der EG und den Partnerregionen bzw. einzelnen Staaten.

Neben dem Zeitfaktor – die AKP-Regionen haben nicht annähernd so umfangreiche und erfahrene Arbeitsstäbe zur Verfügung wie die EU-Kommission – sind es aber insbesondere inhaltliche Fragen, die größte Kritik hervorrufen. So versteht die EU-Kommission unter WTO-Kompatibilität 80-prozentige Zollsenkungen innerhalb der kommenden 15 Jahre. Auch wenn die Liberalisierungsverpflichtungen zunächst asymmetrisch sind, so stehen am Ende doch beiderseits offene Märkte – was sich die EU problemlos leisten kann. Für die AKP-Länder jedoch heißt Zollabbau in erster Linie Verlust von Einnahmen, die für dringende öffentliche Investitionen in Infrastruktur, Sozialsysteme, aber auch für die Unterstützung des wirtschaftlichen Aufbaus benötigt werden.

Ein weiteres Problem, das mit den vorliegenden Abkommen verschärft wird, sind die Beziehungen zwischen den Partnerregionen und -ländern: Innerhalb der Ostafrikanischen Gemeinschaft mag das Problem interner Zölle weniger bestehen, da hier eine Zollgemeinschaft vorhanden ist. Aber schon die Handelsbeziehungen zu den benachbarten Staaten könnten sich aufgrund der unterschiedlichen Liberalisierungstranchen schwierig gestalten.

Große Befürchtungen gibt es auch im Hinblick auf die Verhandlungen über »umfassende« WPA. Viele Staaten sehen sich nicht in der Lage, ihre Dienstleistungs-, Investitions- und öffentlichen Beschaffungsmärkte zu deregulieren und dem globalen Wettbewerb zu öffnen. Nicht einmal innerhalb der EG ist das vollständig machbar oder überhaupt wünschenswert. Was zudem den Mangel an Kontrollmechanismen für Finanzmärkte angeht, brauche ich hier wohl nicht auszuführen. Nicht zuletzt gab und gibt es große Bedenken in Bezug auf die Transparenz der Verhandlungen als solche, der Einbeziehung der Parlamente und der Zivilgesellschaft.

Der Ausschuss für internationalen Handel des Europaparlaments hat entsprechend dieser und weiterer Überlegungen dem Rat und der Kommission einen Fragenkatalog vorgelegt. Dessen detaillierte Beantwortung erwartet nicht nur das Parlament, sondern erwarten vor allem auch die Bürgerinnen und Bürger der EU und der AKP-Länder.

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