Schlammschlacht in Schwerin

Ex-Ministerin Linke will Ex-Minister Holter nicht zum Linksfraktionschef im Nordosten wählen

  • Velten Schäfer, Schwerin
  • Lesedauer: 3 Min.
Kurz vor der Wahl des Fraktionschefs in Schwerin schlagen die Wellen hoch: Die frühere Sozialministerin Marianne Linke warnt die Partei vor Kandidat Helmut Holter. Hinter dem Streit steht ein verschleppter Flügelkonflikt.
Marianne Linke
Marianne Linke

Eigentlich ist die Fraktion gerade ausgeflogen. Die 13 Landtagsabgeordneten der Linkspartei in Mecklenburg-Vorpommern sind zur Frühjahrsaktion »Fraktion vor Ort« in den Städten des Landes unterwegs, um mit den Bürgern in Kontakt zu kommen. Gestern war ein Termin in Rostock, heute ist einer in Greifswald. Doch die Musik spielt trotzdem im Schweriner Schloss: Dort gibt es wenige Tage vor der Neuwahl des Fraktionsvorstandes einen handfesten Krach.

»Helmut Holter steht für Einzelauffassungen«

Zwischen der früheren Landes-Sozialministerin Marianne Linke und dem früheren Arbeitsminister Helmut Holter ist ein Konflikt offen ausgebrochen, der in der Partei schon länger schwelte. Linke erklärt nun öffentlich, dass sie Holter, der sich am 21. April zum Nachfolger des scheidenden Fraktionschefs Wolfgang Methling wählen lassen will, ihre Stimme nicht geben wird. Ob sie freilich selbst antritt, lässt Linke offen. Es gehe ihr zunächst »darum, eine inhaltliche Position darzulegen«.

Drei Vorwürfe macht Linke ihrem früheren Kabinettskollegen, und alle drei belegt sie mit dem berühmt-berüchtigten Interview, das Holter im vergangenen Sommer dem »Stern« gegeben hat: Holter habe die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe – also Hartz IV – gelobt, er habe die DDR pauschal verunglimpft und in der Sozialpolitik dem neoliberalen Mainstream das Wort geredet. »Das sind Einzelauffassungen. Ein Fraktionschef muss aber die Partei repräsentieren«, so Linke.

All das hat Linke in einem Brief dargelegt, der an die »Parteibasis«, die Kreise und die Abgeordneten gegangen sei – und nun bei den Medien gelandet ist. Darin wird sogar an die Korruptionsvorwürfe erinnert, die 2002 im Zusammenhang mit Fördermitteln gegen Holter erhoben worden waren. Holter hatte seinerzeit Probleme bei der Aktenführung im Ministerium einräumen müssen. »Er hat damals immerhin so unprofessionell agiert, dass solche Vorwürfe entstehen konnten«, erklärt Linke.

»Miteinander reden statt übereinander schreiben«

Auf der anderen Seite der Partei-Barrikade sorgt nicht nur dieses Detail für Aufregung. Holter selbst will nichts dazu sagen, aber Landeschef Peter Ritter klingt so zornig wie selten: »Das ist kein Umgang. Statt Briefe übereinander zu schreiben, soll man miteinander reden – am besten in der Fraktion!« Auch in der Sache verteidigt der Landeschef den jetzigen Fraktionsvize. Es könne keine Rede davon sein, dass Holter Hartz IV verteidige. »Als das beschlossen wurde, ist nur ein Landesminister aufgestanden und hat gesagt, das führt in die Armut. Das war Helmut Holter.« Und was die DDR angeht, so sei es ein »dummes Interview«, das Holter in der Form bedauert habe. Holter hatte gesagt, das politische Regime der SED sei von »Terror, Mord und Repression« gekennzeichnet gewesen.

Ob es zu einer Kampfkandidatur um den Fraktionsvorsitz kommen wird, ist nicht ausgemacht. Hinter der Kontroverse steht aber bereits die Landtagswahl 2011: Die gewohnheitsmäßige Kopplung von Fraktionsvorsitz und Spitzenkandidatur müsse in Frage gestellt werden, sagt Linke: »Über den Spitzenkandidaten muss die ganze Partei entscheiden.«

Zwischen dem »Realo«-Flügel um Holter und Ritter und dem Umfeld der »Antikapitalistischen Linken« (AKL) hatte es zuletzt mehrfach Spannungen gegeben. So wurden bei der Wahl der Bundestagsliste die Parteilinken durchgereicht – und auch für Ritters Nachfolge als Landeschef gibt es zwei Kandidaten: Den »Realo« Steffen Bockhahn, der die Rostocker Bürgerschaftsfraktion führt, und den eher der Linken zuzurechnenden Gerd Walther, Kreischef in Peene-Uecker-Ryck.

Die Schärfe und Öffentlichkeit des Konflikts scheint nun auch sonst wenig konfliktscheue Parteipolitikerinnen ein wenig zu schrecken: Barbara Borchardt von der AKL will für den Fraktionsvorstand kandidieren – »um zu helfen, den Laden zusammenzuhalten«, wie sie sagt.

Helmut Holter
Helmut Holter
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