Die ungeliebten Retter

Chinesische Konzerne ziehen Gewinn aus der Krise in Australien

  • Thomas Berger
  • Lesedauer: 4 Min.
Die globale Wirtschaftskrise hat Downunder fest im Griff. Während immer mehr Firmen Teile ihrer Belegschaft entlassen, sind die einst allmächtig scheinenden Bergbaugiganten gezwungen, auf der Suche nach frischem Kapital Minen an chinesische Konzerne zu veräußern.

5,7 Prozent – viele Länder wären froh, wenn ihre Arbeitslosenstatistik diesen Wert aufwiese. In Australien allerdings bereitet eine solche Zahl Sorgen, denn noch vor zwei bis drei Jahren hatte nahezu Vollbeschäftigung geherrscht. Das seinerzeit historische Tief von 4,3 Prozent scheint mittlerweile aber einer ganz anderen Ära anzugehören. Schon im Februar waren 5,2 Prozent erreicht worden, der nochmalige Sprung im März stellt die höchste Zunahme im Monatsvergleich während der letzten knapp zwei Jahrzehnte dar. Real sind nun 650 000 Menschen im arbeitsfähigen Alter ohne Job, allein 50 000 davon haben im vergangenen Monat ihre Stelle verloren. Bei nicht wenigen handelte es sich um Arbeitsplätze, die gemeinhin als krisensicher galten.

Konjunkturprogramm und massiver Stellenabbau

Das ist inzwischen kaum noch einer. Die Regierung in Canberra mag Milliarden in ihr Konjunkturprogramm pumpen, das vor allem Infrastrukturprojekte und Beihilfen für notleidende Unternehmen bestimmter Branchen vorsieht. Damit kann zwar die Katastrophe verhindert werden, nicht aber massiver Stellenabbau und etliche absehbare Firmenpleiten. Selbst die nationale Airline Qantas, eines der Flaggschiffe der einheimischen Wirtschaft, steht unter Druck. Gerade hat die Geschäftsleitung neue schmerzhafte Einschnitte bekannt gegeben: Das Management wird um 500 Stellen verschlankt, zusätzlich zu 90 Führungskräften, deren Entlassung bereits Ende 2008 angekündigt worden war. Auch 1500 einfache Mitarbeiter hatten in diesem Zusammenhang von ihrer bevorstehenden Kündigung Kenntnis erhalten, jetzt sind 1250 weitere von Jobverlust bedroht.

Ähnlich dramatisch sieht die Lage auch bei Sektoren aus, die das Rückgrat der australischen Wirtschaft bilden, so der Bergbaubranche. Deren exponierteste Vertreter leiden ebenfalls unter Umsatz- und Gewinneinbrüchen sowie damit einhergehender Finanzknappheit. Dies zwingt Konzerne, die umstrittenen Rettungsangebote aus Peking anzunehmen. Chinesische Staatsfirmen kaufen sich derzeit vergleichsweise billig bei Unternehmen und Förderstätten ein. In politischen Kreisen Canberras wird das mit Besorgnis bis Argwohn verfolgt, in manchen Fällen auch ein Veto eingelegt.

So bei dem ursprünglichen Deal, den Oz Minerals mit Minmetals ausgehandelt hatte. Mehr als zwei Milliarden US-Dollar sollten die Chinesen dafür hinlegen, dass sie den Großteil der Geschäfte des zweitgrößten Zinkförderers der Welt übernehmen würden. Da die Regierung einen Strich durch die Rechnung machte, ist das Geschäft jetzt auf 1,2 Milliarden Umfang geschrumpft. Insbesondere wurde eine Gold- und Kupfermine ausgespart, die in der Nähe eines militärisch sensiblen Geländes liegt. Die Anlage Prominent Hill nämlich befindet sich unweit von Woomera, wo die Armee Waffentests durchführt. Die Behörden hatten somit Sicherheitsbedenken gegen die absehbare ausländische Präsenz in der Gegend geltend gemacht.

Oz Minerals ist auch mit dem verringerten neuen Vertrag zufrieden, der noch unter dem Vorbehalt der Zustimmung von Aktionären und zuständigen Ämtern steht. »Diese Transaktion, wenn umgesetzt, eröffnet eine komplette Lösung unserer finanziellen Schwierigkeiten«, sagte Vorstandschef Andrew Michelmore. Der Konzern braucht die Geldspritze für Umstrukturierungsmaßnahmen, um das erschütterte Vertrauen von Anteilseignern wiederherzustellen und das Kerngeschäft zu retten.

Chinesen liefern dringend benötigtes Kapital

Es ist nicht das einzige Beispiel aus der Branche, dass die chinesischen Investoren scheinbar die einzige Lösung darstellen, sich dringend benötigtes frisches Kapital zu verschaffen. Auch Rio Tinto, einer der globalen Bergbaugiganten, ist auf diesen Ausweg angewiesen. Bereits im März hatte seine Konzernführung bekannt gegeben, dass Chinalco seinen Anteil am Unternehmen verdoppeln werde. Derzeit hält der chinesische Staatskonzern neun Prozent, demnächst werden es 18 sein. 19,5 Milliarden Dollar lassen die Investoren sich das kosten. Dafür, strategisch in einem der rohstoffreichsten Gebiete auf dem Globus noch stärker einen Fuß in der Tür zu haben, scheint das ein guter Preis.

Sogar ein Riese wie Rio Tinto ist auf die nicht gerade zu seinen Gunsten ausfallenden Vereinbarungen angewiesen, den Konzern belastet ein Gewinnrückgang um sieben Prozent auf neun Milliarden Dollar. Vor allem drückt der Schuldenberg, der sich nach inoffiziellen Schätzungen mittlerweile auf fast 40 Milliarden beläuft. Ein Teil davon lässt sich mit dem Geld der Chinesen nun abtragen, was Spielräume für notwendige Umstrukturierungen eröffnet.

Dass die Chinesen sich als Retter in der Not zu vergleichsweise günstigen Preisen einkaufen können, behagt schon in der sozialdemokratischen Regierung manchen Leuten nicht. Desto mehr wird in konservativen Kreisen vor der »gelben Gefahr« gewarnt.

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