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Wie frivol ist Kunst am Abend

Malerei von Martin Eder und Peter Graf in Dresden

  • Harald Kretzschmar
  • Lesedauer: 3 Min.

Mitunter schimmert eine Ahnung auf, dass die Kunststadt Dresden eigentlich immer noch eine Hochburg der Malerei sein könnte. Man weiß, an diesen Elbhängen siedeln doch diese Fabulierer in Kreidestrichzauber und Ölfarbrausch. In der Tat, nicht totzukriegen erst vom Mangel oder dann vom Überfluss an Hightech-Zivilisation sind sie, diese Leute vom Kaliber des Ur-Sachsen Peter Graf. Stets quer zum Zeitgeist stand, lag und malte Graf seit jeher. Jahrgang 1937, kam der Crimmitschauer beizeiten nach Dresden, und ist nun seit 2002 Radebeuler. Das zu DDR-Zeiten zwangsweise abgebrochene Kunststudium hat sich angesichts seiner Meisterschaft als längst entbehrlich erwiesen.

Ein originäres Naturtalent. Bezeichnet man ihn als naiven Maler, übersieht man die Raffinesse seiner Bildfindung. Bescheinigt man ihm hingegen akademische Qualitäten, wird man seinem hintergründigen Bildwitz nicht gerecht. Der zeigt sich bereits in Bildtiteln wie »Das letzte Nashorn«, »Bürger schont eure Anlagen« oder »Leichtes Training für die Sintflut«. Häufiger vorkommende Nacktheit weiblicher Figuren wirkt stets erheiternd naturgegeben. Der Maler grüßt dann artig mit »Guten Morgen Frau Direktor«. Und nennt seine Ausstellung in der »Villa Eschebach« bescheiden »Überall ocker«, obwohl seine Palette turbulent vielfarbig sein kann.

Das alles ist bei Martin Eder, Jahrgang 1968, ebenfalls passionierter Nackte-Maler, anders. Der Augsburger hat von 1996 bis 2001 in Dresden die Krönung seiner vielen Studien absolviert, zuletzt als Meisterschüler bei Eberhard Bosslet. Dieser wies ihm den Erfolgsweg auf den US-Kunstmarkt, der ihn nun zurück in Dresdens Schoß katapultiert. Jetzt landet er glücklich wieder auf der Brühlschen Terrasse, und darf die Ovationen seiner diversen Verehrer(innen) im Lipsiusbau der Staatlichen Kunstsammlungen genießen. Wer sich gern von einer eiskalten lasziven Erotik anmachen lässt oder wer gigantisch vergrößerte possierliche Hundchen und Kätzchen mag, gehört dazu. Und wer sich lediglich an der Tatsache begeistert, dass nun marktoffiziell wieder figürlich gemalt wird, sowieso.

Ein Dogma herrscht dennoch: Ohne den Umweg über das Foto, also Fotorealismus, geht gar nichts. Unvermeidlich kommt da Natur instant statt Natur pur heraus, und die halbnackten Leiber leben von oberflächlichen Effekten. Martin Eder verleugnet dabei den exzellenten Zeichner, der er sein kann, und kaschiert obendrein die brillanten Fotos, zu denen er fähig ist. Stattdessen inszeniert er eine doppelbödige Philosophie, die ihn sogar auf Umwegen Peter Graf nahebringt: »Am Abend« kopulieren da Riesenkäfer vor einer Dame, die Martin Eders abgeschlagenen Kopf von den Fingern baumeln lässt. Unbewegten Gesichts. Also blanke Ironie. Peter Graf schafft das in »Big Brother« mit einem gespenstisch nackten Fabelwesen. Bewegungslos, aber auf satirische Weise komisch. Und irgendwie sehr menschlich.

Martin Eders Bilder »Die Stimme aus Metall«, »Der magische Akt des Verschwindens« oder »Konferenz der Echos« wirken geheimnis-umwittert. Der Ausstellungstitel lautet also ganz folgerichtig »Der dunkle Grund«. Da steht der Maler in einer fatalen, fast surrealen Dresdner Tradition, die vor hundert Jahren Richard Müller und Oskar Zwintscher begründeten. Ein arriviertes Publikum applaudierte schon damals. Es war und ist wieder eines: »chic«. Peter Graf, der Erdverbundene, darf derweil hin und wieder die Raiffeisen-Kleinsparer vor seinen Bildern begrüßen. Leute mit diesem leisen sächsischen Lächeln im Gesicht ...

Kunsthalle im Lipsiusbau, Brühlsche Terrasse, Dresden: Martin Eder »Der dunkle Grund«. Bis 26. April, Di-So 10-18 Uhr

Dresdner Volksbank Raiffeisenbank, Georgenstr. 6/Albertplatz, Dresden: Peter Graf »Überall ocker«. Bis 12. Juni, Mo u. Mi 8.30-16, Di u. Do 8.30-18, Fr 8.30-13 Uhr

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