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Kunst aus dem Isoknast

Holzarbeiten von Christodoulos Xiros – ein Fenster in die Freiheit

  • Anke Stefan, Athen
  • Lesedauer: 3 Min.
Freiheit – der Fantasie
Freiheit – der Fantasie

Als sich im vergangenen November Tausende von Gefangenen mit einem Hungerstreik wehrten, wurden zum ersten Mal die menschenunwürdigen Haftbedingungen in Griechenlands »Besserungsanstalten« thematisiert. Eine vom Justizminister eingeleitete Gefängnisreform sollte zur Freilassung von 1500 Gefangenen noch im Jahr 2008 und 3500 weiteren in den ersten Monaten dieses Jahrs führen. Bisher sind jedoch nur etwa 500 Häftlinge durch die neuen großzügigeren Regelungen für vorzeitige Haftentlassung und die erweiterten Möglichkeiten für die Umwandlung von Haft- in Geldstrafen in den Genuss der Freiheit gekommen.

Gar nicht erst betroffen von den Neuregelungen sind die in einem Hochsicherheitstrakt des Gefängnisses Korydallos bei Athen einsitzenden politischen Gefangenen. S Einer von ihnen, der gelernte Kunstschreiner und Musikinstrumentebauer Christodoulos Xiros, hat im Knast seine ganz eigene Methode gefunden, sich gegen die ihm aufgezwungene Isolation ein »Fenster in die Freiheit« zu öffnen.

Christodoulos Xiros wurde im Sommer 2002 verhaftet und im darauffolgenden Verfahren als einer von 15 mutmaßlichen Mitgliedern der griechischen Stadtguerillaorganisation »Revolutionäre Organisation 17. November«, kurz »17N« mit recht fadenscheinigen Beweisen zu sechs Mal lebenslänglich verurteilt. Die von 1975 bis 2002 aktive 17N war verantwortlich für zahlreiche Anschläge auf Angehörige in- und ausländischer Geheimdienste in Griechenland, hochrangige Militärs, unbestraft gebliebene Folterer der Militärjunta von 1967 bis 1974, einige Großindustrielle sowie für etwa 80 Bomben- und Raketenanschläge auf kapitalistische und imperialistische Einrichtungen. Christodoulos selbst hatte vor Gericht jede Beteiligung an der 17N abgestritten.

Quasi aus dem Nichts erschuf der Kunstschreiner im Knast detailgetreue Schiffmodelle, vielfältigen Wand- und Tischuhren und zahlreiche kunstvolle Luftfeuchtigkeitsmesser (Hygrometer). Die ersten Stücke entstanden – genau wie die meisten seiner Werkzeuge – aus Abfall, bis Christodoulos Xiros die Erlaubnis erhielt, Holz und Farben, sowie einige Werkzeuge in seiner Zelle zu haben. Die von ihm mehrfach beantragte Erlaubnis, in der Schreinerwerkstatt des Gefängnisses arbeiten zu dürfen, wird ihm jedoch weiterhin verwehrt. Und auch am täglichen Kampf um jedes Stück Material hat sich wenig geändert. So sind beispielsweise von Freunden besorgte Feinwerkzeuge unter der »Obhut« der Gefängnisaufsicht einfach spurlos »verschwunden«.

Für Christodoulos selbst sind die Holzarbeiten ein Weg, sich gegen die Geist und Körper zerstörenden Isolationsbedingungen zu wehren. Giorgos Michelakakis ist von der Qualität der Schöpfungen begeistert: »Seine im Gefängnis geschaffenen Werke sind keine typischen Beispiele von in Zuchtanstalten Eingesperrten, wo die eindimensionale Stärkung der ›Ordnung‹ und der ›Mitarbeit‹ bei ihren Werken Ausdruck der täglichen Disziplinierung und der Strafe ist, denen die Hirne und Körper der Inhaftierten unterzogen sind.« Der bekannte griechische Bildhauer hat zusammen mit seiner Frau Konstantina einen Sammelband mit Fotografien der Werke von Christodoulos Xiros herausgegeben.

Die im Gefängnis geschaffenen Kunstwerke wurden bereits über zwei Jahre jeweils im August auf Ikaria, der Heimatinsel von Christodoulos Xiros ausgestellt. Mehrere tausend Menschen, darunter auch viele »Offizielle« der traditionell linken Inselbewohner ließen sich jedes Mal von den Werken beeindrucken. Dabei war die Person des Künstlers sicherlich mitverantwortlich für das große Interesse an der Ausstellung. Für Leonidas, der beide Ausstellungen mitorganisierte, sind die Werke der Weg für Christodoulos Xiros, trotz der ihm aufgezwungenen Isolation mit der Welt zu kommunizieren. »Mit seiner Arbeit öffnet er ein kleines Fenster, durch das er Berührung mit all seinen Freunden und Verwandten hier hat. Es ist, als wäre er bei ihnen.«

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