nd-aktuell.de / 21.04.2009 / Politik / Seite 5

Polizist sprang für Rechte in die Bresche

Magdeburger Ausschuss prüft merkwürdige Anzeige in Dessau / Gremium arbeitet seit 19 Monaten

Hendrik Lasch, Magdeburg
Ein Ausschuss im Magdeburger Landtag, der Polizeipannen beim Kampf gegen Rechts untersuchen soll, wendet sich dem zweiten Fallkomplex zu – nach immerhin 19-monatiger Arbeit.

Im September 2006 hielt Steffen Andersch im Gemeindezentrum in Bergwitz einen Vortrag. Nach einem rechten Zwischenfall war er in die Gemeinde in Sachsen-Anhalt eingeladen worden, weil er sich als Mitarbeiter des Dessauer Projekts »Gegenpart« mit Strategien und Strukturen der regionalen Rechten auskennt. Er nannte auch Namen: eines NPD-Funktionärs, der »Bindeglied« zu freien Kameradschaften ist, und des Betreibers eines Wittenberger Ladens, der »informeller Treffpunkt« der Szene ist.

Wochen später wurde Andersch zur Polizei vorgeladen – nach einer Anzeige wegen Verstoßes gegen das Urheberrecht: Er habe beim Vortrag gezeigte Fotos unerlaubt aus dem Internet gezogen. Später kam der Straftatbestand der üblen Nachrede hinzu. Urheber der Anzeigen waren Polizisten. Andersch kritisierte, Rechte würden so »ermutigt, zivilgesellschaftliches Engagement mit Strafanzeigen zu ahnden«. Eine Zeitung nannte die Polizisten indirekt sogar »Freund und Helfer der rechten Szene«.

Mehr als zweieinhalb Jahre nach dem grotesken Vorfall beschäftigt dieser jetzt einen Untersuchungsausschuss im Magdeburger Landtag. Es ist der zweite Komplex, anhand dessen das Parlament möglichen Versäumnissen und Fehlern der Polizei beim Kampf gegen den Rechtsextremismus nachgeht. Das Gremium war im September 2007 auf Antrag der PDS eingesetzt worden. Diese kritisierte die Kluft zwischen Anspruch und Wirklichkeit: Einerseits propagierte SPD-Innenminister Holger Hövelmann eine offensive Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus; andererseits gab es in der alltäglichen Polizeiarbeit immer wieder Pannen und gravierende Fehler.

In den 19 Monaten seit Einsetzung hat der Ausschuss nur eines von sechs Aufgabenfeldern bearbeiten können: die Vorwürfe dreier Dessauer Staatsschützer gegen einen Vorgesetzten, der sie bei der Aufklärung rechter Straftaten ausgebremst haben soll. Sie müssten »nicht alles sehen«, soll ihnen dieser geraten haben – wohl aus Sorge darüber, dass seine Behörde wegen des Arbeitseifers der Mitarbeiter die Statistik rechter Delikte im Land anführte. Diese Vorwürfe hätten sich auch bestätigt, sagt die Linksabgeordnete Gudrun Tiedge nach teils mehrfacher Anhörung von über 20 Zeugen. Zudem sei offenkundig, dass die engagierten Polizisten »gemobbt« wurden und das Ministerium seiner Fürsorgepflicht nicht nachkomme. So liefen »aus fadenscheinigen Gründen« Disziplinarverfahren.

Während der Ausschuss noch ein enormes Pensum vor sich hat – zur Affäre um Andersch sind acht Zeugen geladen –, hält es Tiedge bereits jetzt für offenkundig, dass die Probleme in der Polizeiarbeit auch strukturelle Gründe haben. Die gelte es abzustellen: »Wir wollen die Bedingungen für die Polizei verbessern.« In Koalition und Ministerium herrscht freilich die Ansicht vor, im Ausschuss werde die Polizei schlechtgeredet. »Wir ziehen nicht an einem Strang«, sagt Tiedge. Die Enttäuschung beruht freilich auf Gegenseitigkeit: Während die LINKE Hövelmann vor 19 Monaten noch lobte, ist nach weiteren Pannen Ernüchterung eingekehrt. Zuletzt stellte sie wegen seiner Amtsführung im Landtag einen Antrag auf Missbilligung.