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Tragt mehr Grün!

T-Shirts und Co. werden oft unter menschenverachtenden Bedingungen hergestellt – Bio-Baumwolle verspricht da Abhilfe

  • Robert B. Fishman
  • Lesedauer: 6 Min.
Klamotten sind bunt, schick, zu billig, teilweise ausbeuterisch hergestellt, oft giftig und mitunter sogar tödlich: Fast ein Viertel der jährlich versprühten Pflanzengifte landen auf den Baumwollplantagen dieser Welt. Jedes Jahr sterben nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation WHO 28 000 Bauern an Pestiziden. Und auch die Arbeitsbedingungen in den Fabriken sind nicht dazu angetan, die Gesundheit der meist weiblichen Arbeiter zu verbessern. Die Alternative: zertifizierte Bio-Baumwolle.
Kindermode aus der aktuellen Kollektion des Bio-Modelabels
Kindermode aus der aktuellen Kollektion des Bio-Modelabels

Im vergangenen Sommer wurde es rot in der Hamburger Innenstadt: Kirsten Brodde, Bloggerin und Autorin des Buches »Saubere Sachen: Wie man grüne Mode findet und sich vor Öko-Etikettenschwindel schützt«, legte mit einer offensiven Aktion den Kaffeehersteller und Klamottenhändler Tchibo herein: Das Unternehmen hatte gerade T-Shirts mit Wunschaufdruck im Angebot. Kirsten Brodde bestellte sich also zwei nach ihren Wünschen. Auf dem roten sollte »Tchibo Shirts: Gefertigt für Hungerlöhne« und auf dem schwarzen »Dieses T-Shirt hat ein Kind für Tchibo genäht« stehen. Tchibo lieferte prompt und Brodde stellte sich damit vor eine Hamburger Filiale des Kaffeekonzerns. In der Hand hielt sie ein Schild mit der Aufschrift »Sprechen Sie mich auf mein T-Shirt an«. Und viele Leute taten das in den folgenden 37 Minuten, bis die Hamburger Polizei der Umweltaktivistin schließlich einen Platzverweis aussprach.

Chemikalien in der Baumwolle

Bereits 2005 hatte Tchibo zwar auf Verbraucherproteste in Deutschland reagiert und einen Experten für »Corporate Social Responsibility« (soziale Verantwortung des Unternehmens) eingestellt. Die Liste mit seinen Zulieferbetrieben hält Tchibo aber dennoch weiter geheim. »Sonst könnte ja jeder die Fabriken unter die Lupe nehmen« zitiert der »Spiegel« aus der Begründung.

So ein T-Shirt kann ganz schön gewichtig werden. Rechnet man Rohstoff- und Wasserverbrauch, die giftigen Abwässer, Farbstoffe für die Herstellung eines gefärbten T-Shirts, die Verpackung und den Transport zusammen, bringt es rund viereinhalb Tonnen auf die Waage, ungefähr so viel wie ein ausgewachsener Elefant. Forscher um den Wissenschaftler Friedrich Schmidt-Bleek haben den »ökologischen Rucksack« eines einfachen schwarzen T-Shirts berechnet. Bis es am Verkaufsständer in einem Discounter oder dem erwähnten Kaffeeröster hängt, hat das Kleidungsstück einiges durchgemacht – und die Menschen, die an seiner Herstellung arbeiten, auch.

Bauern in Westafrika, der Türkei, Ägypten, Usbekistan und einigen anderen Ländern pflanzen Baumwolle auf ihren Feldern. Vor allem die USA subventionieren ihre wenigen Baumwollfarmer mit viel Geld aus der Staatskasse. So fallen die Weltmarktpreise für Rohbaumwolle. Wer dennoch vom Anbau leben will, braucht große Felder, viel Wasser und reichlich giftige Chemie, mit der er sich die Schädlinge vom Acker hält. Rund ein Viertel aller Pestizide, die jedes Jahr auf die Felder gesprüht werden, landen auf Baumwollplantagen. Viele Bauern und Feldarbeiter bekommen davon Hautkrankheiten, Allergien und Krebs. Damit Maschinen die Baumwolle schnell und billig ernten können, wird mit Sprühgiften entlaubt.

Wo die Maschinen nicht hinkommen oder die Bauern sie sich nicht leisten können, pflücken oft Kinder die weißen Büschel. Für drei Cent pro Kilo Ernte oder drei US-Dollar am Tag schuften etwa in Usbekistan Kinder in den Plantagen. Kaum eine landwirtschaftliche Pflanze verbraucht zudem so viel Wasser wie die Baumwolle. Die Folge der intensiven Bewässerung sieht man zum Beispiel in Zentralasien: Der Grundwasserspiegel sinkt, die Böden versalzen und der Aralsee trocknet in atemberaubender Geschwindigkeit aus. Wo jetzt noch Baumwollplantagen blühen, könnte sich in einigen Jahrzehnten eine sengende Wüste ausbreiten.

Ähnlich katastrophal wirkt der intensive Baumwollanbau in Westafrika. Rund 20 Millionen Menschen leben dort direkt oder indirekt vom »weißen Gold«. Auch dank hoch subventionierter Baumwolle aus den USA fallen die Weltmarktpreise. Vor allem die Kleinbauern bekommen für ihre Produkte immer weniger.

Nach der Ernte werden weitere Chemikalien in die Baumwolle gepumpt: Sie wird gereinigt, gesponnen, mit Chlorlösungen gebleicht, teilweise mit hochgiftigen Azo-Farbstoffen gefärbt und chemisch ausgerüstet. So gelangt ein ganzer Cocktail an Giftstoffen in die Kleidung: Formaldehyd, Chlor, Motten-, Flamm- und Fleckenschutz. Manche dieser Zutaten sind so giftig, dass Deutschland und die EU sie längst verboten haben. In Asien, Afrika und Lateinamerika werden sie weiter verwendet. So entsteht der Stoff, aus dem die Albträume der Näherinnen sind.

»Wir schlafen in überfüllten, stickigen Räumen. Dort bekommen wir zu wenig Luft. Vor den Mücken gibt es kein Entkommen«, berichtet die Arbeiterin einer Textilfabrik in Sri Lanka. »Von meinem mageren Gehalt bezahle ich die Unterkunft, das Essen und schicke einen kleinen Betrag meiner Schwester für ihr Studium«. Die Arbeitsbedingungen in den Textilfabriken Süd- und Ostasiens erinnern an Sklaverei: Bis zu 100 Stunden Wochenarbeitszeit, 16-Stunden-Tage, Überstunden, Sieben-Tage-Woche, keine Pausen, Hungerlöhne: Umgerechnet 15 Euro verdienen viele Näherinnen in Bangladesch im Monat, rund 300 Pesos (4,40 Euro) auf den Philippinen, wo ein Kilo Reis 35 Pesos kostet. Leben kann davon niemand. In Bangladesch kostet ein kleines Zimmer so viel, wie eine Hilfsnäherin verdient. Für Essen bleibt kaum etwas übrig. Wer krank wird, muss unbezahlten Urlaub nehmen – oder gehen. Gewerkschaften? Verboten.

Keine sozialen Standards

»Wir müssen von neun Uhr morgens bis ein Uhr nachts arbeiten, an 30 Tagen im Monat«, sagt eine Arbeiterin in Indien. Eine andere: »Du fragst nach Gewerkschaften? Wir dürfen ja in der Fabrik nicht mal miteinander reden.«

Viele Fabriken sind zudem schlecht gebaut. So stürzte 2005 das Produktionsgebäude der Firma Spectrum in Dhaka ein. Bilanz des Unglücks: 64 Tote, 74 Schwerverletzte. Der Grund: Baumängel. Illegal war die Betriebsstätte um eine Etage aufgestockt worden. Der Untergrund gab nach, das Gebäude stürzte ein. 2006 starben bei Unfällen in weiteren Fabriken Bangladeschs mindestens 88 Arbeiter, über 250 wurden verletzt.

Bangladesch, Indien, China, El Salvador, das Elend unterscheidet sich kaum. Dafür verkauft der Discounter kik Kinderjeans für 5,99. Schnäppchen auch bei Aldi, Lidl und anderen. Auf die Ausbeutung in ihren Zulieferfabriken angesprochen, verweist man auf die »Codes of Conduct« (Verhaltensregeln), an die sich die Zulieferer halten – oder halten müssten: Kontrollen sind nämlich eher selten.

Oft wissen Unternehmen selbst nicht, wo der Zulieferer ihres Zulieferers einkauft. Und sie können deren Versprechen kaum kontrollieren: »C&A verteilt Schulbücher in Indien und beutet die Leute mit Stundenlöhnen von 20 Cent an 16-Stunden-Tagen aus«, beklagt etwa Christiane Schnura von der Kampagne »Saubere Kleidung«.

Tatsächlich haben viele große Textilunternehmen nach zahlreichen Protesten etwas für ihr angeschlagenes Image getan: Sie legen Sozialprogramme auf, spenden Geld für Entwicklungsprojekte und versuchen, in den Fabriken bessere Bedingungen durchzusetzen. Dabei arbeitet C&A zum Beispiel mit der Menschenrechtsorganisation Terre des Hommes zusammen. Kritiker wie Schnura nennen solche Kooperationen Feigenblätter. Wirklich geändert habe sich in den Zulieferbetrieben und auf den Plantagen wenig. Verbrauchern empfiehlt sie: »Immer wieder in den Läden nach den Herstellungsbedingungen für die Kleidung fragen« und gegen die schlechten Bedingungen protestieren.

Und das Bewusstsein für das Problem ist vorhanden: In einer Umfrage der Gesellschaft für Konsumforschung fanden 26 Prozent der Befragten Umwelt- und Sozialverträglichkeit von Kleidung »sehr wichtig«. Einer anderen Umfrage zufolge würde fast jede/r Dritte (30 Prozent) für fair gehandelte, ungiftige Kleidung mehr bezahlen.

Immer mehr kleine Labels garantieren, dass ihre Produkte aus biologisch angebauter Baumwolle zu fairen Bedingungen hergestellt sind. So vergibt TransFair in Köln sein Siegel »Fairtrade certified cotton« (geprüft fair gehandelte Baumwolle) mit dem Logo, das die Verbraucher schon von Kaffee und Schokolade kennen, an Kollektionen von Meyer Hosen und des Jeansherstellers Gardeur. Auch Beinkleider von JJ eco tragen das Emblem. Die Bauern bekommen dafür zwischen 40 und 70 Prozent mehr für Rohbaumwolle. TransFair vergibt sein Siegel nur, wenn die gesamte Herstellungskette von der Ernte bis zur Verladung der fertigen Jeans auf ihre Arbeitsbedingungen hin überprüft ist. Diese müssen die Standards der Internationalen Arbeitsorganisation einhalten. Weitere Voraussetzungen für das Prädikat »fair gehandelt«: Der Abnehmer garantiert den Baumwollbauern feste Mindestpreise. Im Laden kosten die Jeans aus Fair-Trade-Baumwolle 89 Euro, genau so viel wie die ohne Siegel. Fair gehandelte T-Shirts aus Bio-Baumwolle gibt es schon für neun Euro. Es geht also doch.

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