EU kneift vor Ahmadinedschad

Konferenzrede des iranischen Präsidenten boykottiert / Deutschland, USA, Israel fehlen in Genf

  • Lesedauer: 3 Min.
Irans Präsident Mahmud Ahmadinedschad hat bei der UNO-Konferenz gegen Rassismus in Genf für einen Eklat gesorgt. Nach heftigen Angriffen auf den UNO-Sicherheitsrat kritisierte er am Montag in seiner Rede Israel und dessen Politik in den palästinensischen Gebieten als rassistisch. Daraufhin verließen die Vertreter der EU den Saal und bereiteten Ahmadinedschad damit eine freie Bühne.

Genf (Agenturen/ND). Ahmadinedschad warf Israel »barbarische und rassistische Verbrechen« gegen die Palästinenser vor. Er nannte Israel nicht beim Namen, sondern sprach von einem Regime der »Zionisten«. Nach dem Zweiten Weltkrieg seien unter »dem Vorwand des Leidens des jüdischen Volkes« die Palästinenser aus ihrem eigenen Land gejagt worden. Ahmadinedschad wurde mehrfach von Sprechchören unterbrochen, erhielt aber auch Beifall.

Nach UNO-Angaben sagten neun der 192 UNO-Mitgliedsländer ihre Teilnahme ab, weil sie antisemitische Ausfälle und eine einseitige Verurteilung Israels befürchteten. Neben Deutschland sind dies die USA, Kanada, Australien, Neuseeland, Israel, Italien, die Niederlande und Polen. Unterdessen rief Israel seinen Botschafter in der Schweiz zu Konsultationen zurück. Damit protestiert das Land gegen ein Treffen des Schweizer Bundespräsidenten Hans-Rudolf Merz mit Ahmadinedschad am Sonntag.

In Berlin sagte Vize-Regierungssprecher Thomas Steg, Deutschland sei die erst am Sonntagabend beschlossene Absage nicht leicht gefallen. Man wolle aber keine Kulisse für Hasstiraden oder anti-israelische Ausfälle abgeben. Der Boykott sei auch mit Blick auf die deutsche Geschichte verantwortbar. Bei einem positiven Verlauf der Konferenz sei ein Wiedereinstieg nicht ausgeschlossen.

Die EU-Kommission kündigte an, als Beobachterin der Konferenz »auf jeglichen inakzeptablen Kommentar angemessen zu reagieren«. Die EU werde keine Abschlusserklärung akzeptieren, die antisemitisch sei, Religionen diffamiere oder einzelne Länder oder Religionen angreife. Auch der Vatikan, der bei der UNO Beobachterstatus hat, ist vertreten.

UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon appellierte an die boykottierenden Länder, ihre Entscheidung zu überdenken. »Sie sollten bei uns sein und mit uns sprechen«, sagte Ban bei der Eröffnung. Ein Boykott helfe dem Kampf gegen Intoleranz nicht. »Keine Gesellschaft ist immun gegen den Rassismus, ob groß oder klein, ob reich oder arm«, mahnte er. Dagegen dankte Israels Premier Benjamin Netanjahu den boykottierenden Staaten. Die Absage der Bundesregierung fand ein geteiltes Echo. Der Zentralrat der Juden in Deutschland begrüßte sie als mutigen Schritt. Die Bundesregierung setze damit ein Zeichen gegen Rassismus und Antisemitismus, sagte Zentralratspräsidentin Charlotte Knobloch. Viel zu oft hätten Länder wie Iran, Libyen und Kuba die Plattform der UNO für eigene »demokratiefeindliche Politik« nutzen dürfen.

Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch zeigte sich enttäuscht. »Der Kampf gegen Rassismus ist zu wichtig, als dass Deutschland sich von einer solchen Konferenz fernhalten sollte«, sagte Marianne Heuwagen, Leiterin des Berliner Büros der Organisation.

Linksparteivorsitzender Lothar Bisky kritisierte den Boykott durch die Bundesregierung. »Die Nichtteilnahme verhindert am allerwenigsten die Instrumentalisierungsversuche durch extreme und radikale Kräfte«, sagte Bisky am Montag in Berlin. Die Europäische Union müsse Verantwortung übernehmen. Auch Deutschland dürfe die Gelegenheit der Diskussion über Rassismus im Rahmen der UNO nicht ungenutzt lassen.

Auch der stellvertretende Grünen-Fraktionsvorsitzende, Jürgen Trittin, kritisierte den Boykott. Es sei falsch, Ahmadinedschad und seinen Verbündeten das Feld zu überlassen.

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