Zu wenig Geld für sozialen Frieden

Sozialarbeiter aus Paris-Nanterre zu Gast in Marzahn-Hellersdorf

  • Klaus Teßmann
  • Lesedauer: 3 Min.

In Nanterre würde man den sozialen Frieden nicht mit so wenig Geld garantieren können, wie in Marzahn-Hellersdorf zur Verfügung steht. In dem Pariser Vorort, so berichtete die dortige Jugendstadträtin Rossana Morain bei einem einwöchigen Besuch im Bezirk, engagierten sich die Unternehmen mehr für Projekte in den Bereichen Sport, Kultur und Jugend.

Nanterre sei eine wachsende Stadt, darin bemühten sich Unternehmen und die Kommune gleichermaßen, den sozialen Frieden zu erhalten. Zu der Delegation aus Nanterre gehörten auch Sozialarbeiter und Streetworker. Sie alle kamen nicht als Touristen, sondern wollten in Diskussionsrunden mit Berufskollegen Erfahrungen austauschen. Die französischen Gäste besuchten Jugendeinrichtungen wie das Fair, den Abenteuerspielplatz in Marzahn-Nord sowie das Stadtteilzentrum im Schloss Biesdorf und den Polizeiabschnitt 62.

Bei einem Forum mit Bezirksbürgermeisterin Dagmar Pohle (LINKE) und Jugendstadträtin Manuela Schmidt informierte die Jugendstadträtin des Pariser Vororts, dass schon im Oktober ein Projekt mit Urban-social begonnen habe und nun fortgesetzt werde. Dagmar Pohle erläuterte den Gästen das Problem, dass mehr als zehn Prozent der Schüler die Schule ohne Abschluss verlassen würden. Jugendliche blieben zudem immer länger bei den Eltern. Da sie auch zunehmend später wirtschaftlich selbstständig würden, erfordere das wiederum ganz neue Ansätze der sozialen Betreuung in den Jugendeinrichtungen.

Besonders beeindruckt zeigte sich in einer Bilanz Rossana Morain vom Besuch einer Montessori-Schule. Hier habe sie erlebt, dass es »einen ganz anderen Erziehungsansatz gibt«. Kinder und Jugendliche würden in ihren freien Entscheidungen ganz anders respektiert als in Frankreich.

Das Beispiel von Lehrern und Sozialarbeitern, die als Vorbilder und Freunde auftreten würden, wollte die Stadträtin als Anregung mit nach Hause nehmen. »Auch bei uns müssen sich die Sozialarbeiter mehr nach den Bedürfnissen der Jugendlichen richten.« Sie möchte, dass Sozialarbeiter aus Marzahn-Hellersdorf so schnell wie möglich nach Nanterre kommen, um den Erfahrungsaustausch fortzusetzen.

Große Unterschiede gegenüber ihrem Heimatland sah die französische Stadträtin bei der Finanzierung der Sozialarbeit. »In Frankreich gibt es sehr viele Möglichkeiten, Räume und Geld zur Verfügung zu stellen«, sagte Morain. In Berlin habe sie erlebt, dass die Sozialarbeiter sich stets neue Projekte einfallen lassen müssen, um ihre Arbeit zu finanzieren.

»In Nanterre steht viel Geld für Sport, Kultur und Jugendarbeit zur Verfügung«, berichtete Rossana Morain. »Ich war sehr betroffen darüber, wie viele Menschen von einem Sozialarbeiter betreut werden.« In Nanterre gebe es viel mehr Sozialarbeiter. Trotzdem fand die französische Jugendstadträtin Lob, dass trotz sehr geringer finanzieller Mittel in Marzahn-Hellersdorf eine »sehr gute Sozialarbeit gemacht wird«.

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