Aufsicht und Transparenz

EU regelt den europäischen Finanzmarkt neu

  • Susanne Götze, Brüssel
  • Lesedauer: 3 Min.
Aufsicht und Transparenz sind die Zauberworte, mit denen die EU den wild gewordenen Finanzmarkt zähmen will. Mit den diese Woche verabschiedeten Regelungen sollen »faule Stellen« im System beseitigt und der Markt wieder »sicher« gemacht werden. Im Fokus stehen Ratingagenturen, Banken und Versicherungen.

Der Kompromiss zwischen Ministerrat und Parlament, der am Mittwochabend in Straßburg verabschiedet wurde, setzt sich für eine strenge Kontrolle von Ratingagenturen ein. Diese werden zu den Hauptverursachern der Krise gezählt. Die Agenturen bewerten und begutachten Unternehmen, Regierungen und Finanzinstrumente auf ihre zu erwarteten Verluste und ihre Bonität. Diese »Ratings« nutzen dann Anleger, Kreditnehmer, Emittenten und Regierungen. Bis zuletzt vergaben die Agenturen sehr gute Ratings für »faule« Finanzpakete und marode Unternehmen. Hintergrund sind oftmals die engen Verknüpfungen zwischen Agentur und dem zu bewertenden Unternehmen – auch beschönigend als »Interessenkonflikt« betitelt.

Nach der Reform müssen sich alle in der EU ansässigen Agenturen bei dem in Paris ansässigen Wertpapierausschuss (Committee of European Securities Regulators – CESR) registrieren lassen. Bei Erhalt der EU-Lizenz verpflichten sie sich, ihre Bewertungspraxis offenzulegen und die interne Unternehmensstruktur zu erneuern. Dafür wird ein »individuelles Rotationssystem« eingeführt. Es soll sicherstellen, dass ein Analyst ein Unternehmen nicht über längere Zeit begutachtet. Eine interne Aufsicht soll die Qualität der Ratings überwachen. Diese »Kontrolleure« müssen vom Geschäftserfolg des Unternehmens unabhängig sein. Für die Europäische Linke (EL) kritisierte Sahra Wagenknecht die Pläne: Der Antrag stelle immer noch zu sehr auf Selbstregulierung ab und mache es schwierig, die Praxis des Unternehmens nachzuvollziehen. Nach dem, was die Agenturen angerichtet hätten, sei mehr staatliche Kontrolle nötig.

Auf längere Sicht will die EU bei den Ratingagenturen wie auch im Bankensektor ein zentrales europäisches Aufsichtssystem entwickeln. Die Regulierungen im Bankensektor sind jedoch weiterhin umstritten. Der entsprechende Antrag des EU-Parlamentariers Othmar Karas wurde verschoben und eine Verabschiedung vor den EU-Wahlen im Juni ist nicht garantiert. Streitpunkt des Antrages ist der Selbstbehalt der Banken. Damit diese künftig vorsichtiger mit undurchsichtigen Kreditpaketen umgehen, sollen sie nach der Reform verpflichtet werden, fünf Prozent der Forderung zu behalten. So sollen sie gezwungen werden, ein »echtes Interesse« am Inhalt des Produktes zu haben. Zu niedrig finden diesen Anteil deutsche Politiker. Teile der SPD forderten in der letzten Woche 15 Prozent Selbstbehalt, da die Banken sonst kaum motiviert seien, das Verbriefungsrisiko genau zu prüfen. Dies war die ursprüngliche Forderung des Antrages, bis sie auf Druck der Bankenlobby reduziert wurde. Gefordert wird zudem, dass ein Bankinstitut nicht mehr als 25 Prozent seines Eigenkapitals an einen Kunden oder eine Kundengruppe ausgeben darf. Sollte sich das Finanzinstitut nicht genug über die Merkmale der Verbriefungstransaktion informieren, können Sanktionen von bis zu 150 Prozent des Risikos verhängt werden.

Um eine größere Sicherheit beim Eigenkapital geht es auch bei den Versicherungen: Der am Mittwoch beschlossene Antrag »Solvabilität II« – ebenfalls ein Kompromiss mit den Ministerrat – soll die Kriterien von Versicherungen hinsichtlich der Höhe ihres Eigenkapitals reformieren: Wenn das Kapital unter ein bestimmtes Niveau fällt, sind zukünftig aufsichtsrechtliche Eingriffe erforderlich. Unterschreitet das Eigenkapital die Mindestanforderungen, kann der Versicherung gar die Lizenz entzogen werden. Damit soll verhindert werden, dass zu dünne Eigenkapitaldecken die Existenz von Unternehmen gefährden, wie es in der jetzigen Krise der Fall ist.

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