Madrid zittert vor der Europawahl

Regierung Zapatero will Finanzierung der Regionen noch vor der Abstimmung im Juni regeln

  • Lesedauer: 3 Min.
Von Ralf Streck, San Sebastián

Üblicherweise zeigen die Europäer wenig Interesse an der Wahl des EU-Parlaments. Doch in der Wirtschaftskrise wird die Besetzung der Straßburger Volksvertretung im Juni für viele Regierungen zum Stresstest.

Besonders aufgeheizt ist das Klima in den großen Volkswirtschaften Deutschland und Großbritannien, wo Parlamentswahlen folgen. Im Königreich dümpelt die Labour-Regierung im Stimmungstief. Dort profitieren, anders als in Deutschland, die konservativen Tories davon, dass sie die Sozialdemokraten allein für die dramatische Krise verantwortlich machen können.

Labours Schwesterpartei in Spanien hat ähnliche Probleme. Zwar sollen dort erst 2012 Parlamentswahlen stattfinden, doch wenn es im Juni zum erwarteten Absturz der Sozialisten (PSOE) kommt, kann es schnell vorgezogene Neuwahlen geben. Angesichts der schweren Wirtschaftskrise, des Spitzenplatzes bei der Arbeitslosigkeit in der EU und ausufernder Verschuldung zeichnet sich ein klarer Sieg der Konservativen ab, ein Startschuss für die Volkspartei (PP) zum Angriff auf die Macht in Madrid.

Gerade hat die PP die Regierung in Galizien gebildet. Nach einem vierjährigen Intermezzo haben die Rechten den Sozialsten die Macht in der Region wieder abgenommen. Auch im Baskenland haben die Sozialisten im März deutlich Stimmen gegenüber den Parlamentswahlen 2008 eingebüßt, womit sich die prekäre Lage der Madrider Regierung unter José Luis Rodríguez Zapatero verschärft hat.

Dieser versucht nun mit waghalsigen Manövern zu verhindern, dass die PP im Parlament die Vertrauensfrage stellt. In einem Befreiungsschlag hat Zapatero gerade seine Regierung umgebaut, um ein Bündnis mit katalanischen Nationalisten zu ermöglichen, die als Mehrheitsbeschaffer für seine Minderheitsregierung gebraucht werden. Mit ihren merkwürdigen Manövern hat die PSOE jedoch alle Bündnispartner im Madrider Parlament vergrault. Die Stimmen der Baskisch-Nationalistischen Partei (PNV), mit denen Zapatero noch im vergangenen Herbst den Haushalt verabschiedet hatte, kann er vergessen: Am Mittwoch hat die PSOE im Baskenland einen Pakt mit der PP bestätigt und den 5. Mai als Termin für die Bildung einer Regierung für die »Autonome Baskische Gemeinschaft« festgelegt. Ausgerechnet mit Hilfe der Konservativen verdrängen die Sozialisten die stärkste Partei des baskenlandes, die PNV, aus der Regierung.

So bleibt Zapatero nur ein Bündnis mit der katalanischen Partei Konvergenz und Einheit (CiU), um – so absurd es klingt – in Madrid einem Misstrauensantrag der Partei zu entgehen, mit der er sich im Baskenland verbündet. Mit der Kabinettsumbildung zwinkerte Zapatero nun den Katalanen zu. So wurde Wirtschaftsminister Pedro Solbes gefeuert, der sich einer verbesserten Finanzierung Kataloniens widersetzt hatte. Die Finanzierungsfrage soll noch im Mai, vor den EU-Wahlen, gelöst werden, erklärte Manuel Chaves, der neue Minister für Regionales. Doch das wird, trotz leerer Kassen, eine teure Angelegenheit. Die CiU, die schon gemeinsam mit der PP regierte, wird hoch pokern.

Das unterfinanzierte Katalonien will finanziell mit anderen Regionen gleichgestellt werden. Das Geld muss die neue Wirtschaftsministerin Elena Salgado locker machen und dafür anderswo sparen – was andere Regionen rebellieren lassen wird. Auch politisch wird die CiU einen hohen Preis verlangen. Sie will in Katalonien den Regierungspräsidenten stellen, fordert den Kopf des Sozialisten Jóse Montilla und ein Ende der Dreierkoalition mit den Linksnationalisten.

Das Manöver der Sozialisten, gemeinsam mit der PP die baskischen Nationalisten zurückzudrängen, führt also letztlich dazu, dass nach Galizien auch das bedeutende Katalonien für die PSOE oder die Macht in Madrid verloren gehen könnte.

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