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Bühne oder Brot

Studie zur sozialen Lage der Tanz- und Theaterszene

  • Karin Schmidt-Feister
  • Lesedauer: 3 Min.

Deutschland zählt rund elf Prozent Selbstständige; im Kulturbereich sind es nach einem Bericht des deutschen Kulturrates fast 50 Prozent. Trotzdem steht die freiberufliche Arbeit und insbesondere die freiberufliche künstlerische Arbeit unter einem Legitimationsdruck, sich als »richtige Arbeit« auszuweisen und nicht »vorübergehende« oder sogar »hobbyistische Tätigkeit« zu sein. Dies sind Ergebnisse einer vom Fonds Darstellende Künste und dem Internationalen Theaterinstitut Deutschland (ITI) initiierten Studie zur sozialen, wirtschaftlichen und arbeitsrechtlichen Lage der Theater und Tanzschaffenden Deutschlands.

Der Landesverband Freie Theaterschaffende Berlin und der Zeitgenössische Tanz Berlin e.V. diskutierten am vergangenen Mittwoch die Berliner Ergebnisse in einer gut besuchten Diskussionsveranstaltung im Studio P.

An der Studie – die erste bundesweite Erhebung seit 1975 – beteiligten sich voriges Jahr 4018 Künstler; davon waren allein 1046 Rückmeldungen aus Berlin. Zusätzlich wurden mit Senatsunterstützung 35 Interviews mit Einzelpersonen (Newcomer wie Etablierte) aller Sparten geführt.

Die Studienergebnisse spiegeln die prekäre Situation der Berliner Künstler in der freien Tanz- und Theaterszene. Der häufige Wechsel zwischen kurzfristig abhängiger Beschäftigung und freiberuflicher künstlerischer Arbeit führt zu geringem Lebensstandard und mangelhafter Absicherung im Krankheitsfall. Nur 20 Prozent der freien Künstler haben Anspruch auf Arbeitslosengeld II. Die Arbeitsagenturen fördern zwar den Übergang in die Selbstständigkeit, danach aber fehlen entsprechende Instrumente der Arbeitsförderung und die Kompetenz der Arbeitsvermittler für freie künstlerische Berufe. Die Berufsanerkennung in den Jobcentern muss laut Studie vereinfacht werden und könnte über die Mitgliedschaft in der Künstlersozialkasse (KSK) nachgewiesen werden. Empfohlen werden die Aufnahme weiterer Berufsgruppen in die KSK sowie eine ruhende Mitgliedschaft ohne Beitragspflicht nach dreimaliger Unterschreitung der Mindestverdienstgrenze. Ebenso sollten die Zugangsbeschränkungen für die als sehr wichtig empfundene freiwillige Arbeitslosenversicherung aufgehoben werden – diese könnte über die KSK erfolgen.

Darstellende Künstler arbeiten in Berlin auch bei öffentlich geförderten Projekten zu skandalös niedrigen Honoraren. Die Forderung nach Honoraruntergrenzen (bzw. weiterführend einer Grundsicherung) war ein zentraler Punkt in der Debatte am Mittwoch: professionelle Arbeit verlange professionelle Entlohnung, die strukturellen Schwächen des Berliner Fördersystems seien offensichtlich.

Die Berliner Ergebnisse belegen ein komplexes Problemfeld, das am gestrigen Donnerstag bundesweit mit allen Landesverbänden abgestimmt wurde. Die daraus gewonnenen Handlungsempfehlungen sind an die Landes- und Bundespolitik adressiert und werden in die Diskussionsrunden der Akademie der Künste einfließen. Diese veranstaltet vom 4. bis 6. Mai erstmals ein »Symposium zur Lage der Theater- und Tanzschaffenden im Kontext internationaler Mobilität«. Die nationalen Ergebnisse dieser wichtigen Studie geben eine fundierte Darstellung der in Deutschland tätigen freien Künstler, deren Probleme zukunftsorientiert gelöst werden müssen.

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