nd-aktuell.de / 25.04.2009 / Kultur / Seite 23

Ein streitbarer Pink Bulle aus dem Erzgebirge

Wegen einer Marketingidee bekam Fleischermeister Jens Grabner aus Raschau Ärger mit großen Tieren

Harald Lachmann

Der Pink Bulle war noch ein lila Kälbchen, horn- und harmlos in den erzgebirgischen Bergen grasend, wo man ihn selbst hier kaum kannte, als er schon harte Erfahrungen mit der Welt der großen Rindviecher machte. So mit einer ähnlich gefärbten Schokoladenkuh aus den fernen Alpen. Oder mit einem roten Bullen, der für eine österreichische Muntermacherlimonade steht.

Dabei wäre seinem Geburtshelfer, dem Raschauer Diplomagraringenieur Jens Grabner, trotz reichlich Selbstbewusstseins nicht im Traum eingefallen, sich mit so großen Tieren anzulegen. Er dachte nur zwölf Kilometer weiter, nach Aue, wo der FC Erzgebirge traditionell in lila Trikots aufläuft. Es sollte eine Art Verneigung vor der Kultelf sein. Vielleicht hoffte Grabner auch ein wenig darauf, seine neue Wurst- und Fleischmarke, die er auf einem früheren LPG-Hof zu etablieren suchte, könne ein wenig vom Renommee der Kicker profitieren.

Doch nicht die fühlten sich herausgefordert, sondern Global Player wie die Kraft Foods Inc., eine Tochter des Philip Morris Konzerns, die die Schokoladenmarke Milka vertreibt. Oder auch Red Bull. Ehe sich der sächsische Landwirt versah, schickten sie ihm ihre Anwälte auf den Hals, ließen ihn Erklärungen unterschreiben, drohten mit hohen Konventionalstrafen. Der Streitwert lag bei einer Million Euro.

Jens Grabner, der einst in Leipzig Tierhaltung studierte, ist nicht eben schreckhaft. Immerhin hat er bereits eine Landfleischerei übernommen, zeitgemäß modernisiert, kräftig erweitert und solide ins Rollen gebracht. Doch die Nummer war ihm denn doch zu groß. Also versprach er, nie selbst Limonade zu mixen – und sein lila Jungrind färbte er kurzerhand in Pink um.

Anno 1995 war das. Seither mauserte sich das Kalb zu einem stattlichen Bullen. Sein pinkfarbenes Konterfei ziert heute im Raschauer Ortsteil Langenberg eine ganze agrarische Erlebniswelt. Im gut besuchten Hofladen lässt sich etwa durch große Scheiben mit eigenen Augen verfolgen, wie die Schweinehälften am Haken durch den Schlachtbetrieb wandern, wie Wurst gemacht wird – und wie sauber es im Übrigen in einer Landfleischerei zugeht.

Im Jahr 2000 errichtete Grabner daneben eine Landhalle für bäuerliche Märkte, urige Feste und lustiges Bauerntheater. Bei Kaminfeuer und Erzgebirgsklängen lädt sein Team zu Rindfleischtagen oder Tagen des Schafes. Hier steigen Musikantentreffen, Oldtimerparaden, Erzgebirgische Kunstschauen, Oktoberfeste, bäuerliche Hutzenabende, Silvester- und Himmelfahrtpartys. Und nicht nur wenn sich TV-Promis wie Mike Krüger oder Karl Dall ankündigen, rücken die Fans oft gleich in Bussen an. Auch jeden Donnerstag, wenn der Pink Bulle zum »Landmarkt« ruft, wird der Parkplatz rappelvoll. »Natürlich gibt es dann fast durchweg eigene oder zumindest regionale Produkte, darunter nun auch Nudeln, Eis und Blechkuchen aus eigener Fertigung«, sagt der Geschäftsführer, der für sein Unternehmen lebt. Allenfalls ein Gläschen Wein am Abend und eine Runde mit dem Hund schaffen da Abwechslung.

Später eröffnete er noch eine Bullenschenke für allerlei Festivitäten. Den Renner bilden hier einschlägige Wurst & Durst-Seminare, auf denen die Gäste gleich noch auf launige Weise vermittelt bekommen, was da so alles zwischen den Schwarten für den menschlichen Verzehr herangewachsen ist.

»In den Alpen jodelt die Kuh, im Erzgebirge macht der Pink Bulle ,Muh'«, frotzelt Grabner in Anspielung auf die Anfangstücken. Und zufrieden blickt er auf das gemeinsam mit Lebenspartnerin Anita Rehbock maßgeschneidertes Profil ihres Unternehmens – eine geschlossene Kette aus Schlachtung, Zerlegung, Verarbeitung und Vermarktung. Rund 1,5 Millionen Euro setzt der Betrieb heute jährlich um. Eine Zusatzsäule bilden Lohnschlachtungen für kleine Landwirte und Freizeittierhalter der Region, bis hin zu Schafen, Ziegen und Hasen. Zwar sei man erfreulich gut ausgelastet, berichtet Grabner. »Doch wenn einer vier Galloway hat, die bekommen wir immer noch unter«, versichert er. Ihr Service reiche vom Schlachten, Zerlegen und Verwursten bis zu Außer-Haus-Schlachtungen und Kühltransporten.

Mittlerweile investierte die pro agrar GmbH rund eine Million Euro in Erweiterung und permanente Modernisierung der Produktion. Pro Jahr wandern weit über tausend Schweine und eine dreistellige Zahl Rinder an die Metzgerhaken. »Erst 2007 haben wir den ganzen Betrieb auf EU-Standard umgebaut und uns so unsere Zukunftsfähigkeit gesichert«, berichtet der 47-Jährige.

Was ein wenig nach Floskel klingt, offenbart indes einen tieferen Sinn: Grabner, der sich gerade anschickt, seine Zwei-Drittel-Beteiligung am Unternehmen um weitere Anteile aufzustocken, will seinen Pink Bullen in der gehobenen Gastronomie etablieren. Überdies avisiert er eigene Läden in Leipzig und Dresden, später womöglich auch in Berlin. Schon heute beliefert man noble Gasthäuser und eigene Filialen im Erzgebirge. Zudem touren rollende Wursttheken durch die Region. Die Mitarbeiterzahl kletterte auf 45.