nd-aktuell.de / 25.04.2009 / Sport / Seite 11

»Dummes Doping« mit DHEA

Die leistungsfördernde Wirkung des neuen Zaubermittels ist umstritten

Tom Mustroph

In Übersee gilt das Prohormon DHEA als das Zaubermittel der Antiaging-Industrie. Hierzulande führt Schauspielstar Iris Berben ihre ewig glatte Haut auf das regelmäßige Schlucken der Pillen zurück. »Doping gegen das Altern« sind manche Werbetexte überschrieben.

Auch beim Doping im Hochleistungssport häufen sich die Hinweise auf Dehydroepiandrosteron (DHEA). Das körpereigene, in der Nebenniere produzierte Hormon fördert die Bildung von Testosteron. Das ist als Dopingmittel beliebt, weil es den Muskelaufbau beschleunigt und die Erholung fördert. Testosteron und seine Vorgängersubstanz DHEA stehen auf der Verbotsliste des Welt-AntiDoping-Agentur (WADA). Im März gab die französische Antidopingagentur AFLD bekannt, dass bei einer Untersuchung von 138 Athleten aus den Sportarten Fußball, Radsport, Rugby und Leichtathletik immerhin 18 von ihnen höhere Konzentrationen von DHEA aufgewiesen hätten.

Vorige Woche wurde der Radprofi Tyler Hamilton (USA) mit DHEA erwischt. Der Zeitfahr-Olympiasieger von 2004, bereits wegen Fremdblutdoping im Jahre 2004 gesperrt und später als Kunde des spanischen Dopingarztes Fuentes verdächtigt, gab daraufhin seinen Rücktritt bekannt. Hamilton erklärte, das Mittel gegen Depression eingenommen zu haben.

Der chronische Doper Hamilton könnte hier – vorausgesetzt, er leidet tatsächlich unter Depressionen – einmal nicht geflunkert haben. Klinische Studien legen tatsächlich einen antidepressiven Effekt von DHEA nahe. Weitere Wirkungen werden in der medizinischen Literatur aber sehr kontrovers diskutiert. Die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände hält das angebliche Antiagingmittel DHEA für Quacksalberei.

Unstrittig ist eine Veränderung des Hormonhaushalts im Verlaufe des Alterns. Eine bloße Zufuhr der fehlenden Hormone führt aber nicht automatisch zum Ausgleich der durch den Mangel verursachten Effekte.

Der am Kölner Antidopinglabor arbeitende Biochemiker Mario Thevis hält auch die Dopingwirkung für weitgehend überschätzt. »Ernstzunehmende Studien belegen nur eine recht geringe Zunahme von Testosteron. Ob bei einem so hochoptimierten System wie dem Körper eines Leistungssportlers noch Luft für Verbesserung durch DHEA ist, wage ich zu bezweifeln«, sagt Thevis.

Paul Scott, ehemaliger Leiter des Antidopinglabors in Los Angeles, der bei der Öffnung von Hamiltons B-Probe anwesend war, bezeichnete DHEA sogar als »dumme Droge«. Sie sei leicht zu identifizieren und habe keine leistungssteigernde Wirkung.

Verblüffend ist allerdings, wie oft DHEA in Dopingcocktails beigemischt wird. Michele Ferrari, medizinischer Berater des siebenfachen Tour-de-France-Siegers Lance Armstrong (USA), hatte seinen Klienten neben dem Blutdopingmittel EPO und dem den Muskelaufbau fördernden Wachstumshormon auch DHEA verabreicht. Der Belgier Georges Mouton, auch er ein ärztlicher Betreuer vieler Radprofis, hatte ebenfalls DHEA in seiner Palette. Vor den Olympischen Spielen 2000 in Sydney war ein Mitarbeiter eines australischen Olympiastützpunktes mit einer Großbestellung von DHEA aufgefallen. Und als Justin Gatlin (USA), Olympiasieger von 2004 im 100-m-Sprint, wegen DHEA aus dem Verkehr gezogen wurde, hatten viele schon gemutmaßt, das Prohormon könnte der Nachfolger des synthetischen Zaubermittels THC sein. THC war in der Trainingsgruppe seines Betreuers Trevor Graham der absolute Schnellmacher gewesen.

Der Kölner Dopingjäger Mario Thevis überrascht die Diskrepanz zwischen der geringen Wirksamkeit und dem beliebten Gebrauch von DHEA als Dopingmittel nicht. Solcherart Wunderglauben habe er auch bei anderen Substanzen beobachtet, sagt er. Doping ist eben mehr Alchemie als Wissenschaft.