Frostiger Empfang für Schaeffler

Conti-Aktionärsversammlung geprägt von Kritik und Protesten

  • Andreas Hoenig und Christiane Gläser, Hannover
  • Lesedauer: 3 Min.
Laut einem Zeitungsbericht steht nach der Übernahme von Continental durch Schaeffler ein Machtwechsel an. Demnach wünschen Gläubigerbanken und die Politik einen Zusammenschluss der beiden Autozulieferer – unter der operativen Führung von Conti. Am Donnerstag wurden die Vertreter von Schaeffler auf der Conti-Hauptversammlung mit Kritik von Aktionären, Warnrufen des Vorstands und Protesten von Beschäftigten konfrontiert.

Als der Name von Maria-Elisabeth Schaeffler zum ersten Mal fällt, herrscht eisiges Schweigen auf der Hauptversammlung des Autozulieferers Continental. Kaum eine Hand rührt sich zum Applaus. Die umstrittene Eigentümerin des Conti-Großaktionärs hat keinen leichten Stand. Die Aktionäre schimpfen: Es dürfe nicht dazu kommen, dass Schaeffler eigene Schulden auf Conti abwälze und Unternehmensteile zu Ramschpreisen verkaufe, weil die Gruppe dringend Geld brauche. Die Entwicklung von Conti sei katastrophal, wettert Heiko Barkemeyer von der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger. Der Konzern sei vom »Börsenstar« zu einem notleidenden Unternehmen geworden.

Die Lage ist ernst: Die Autokrise hat Conti voll erwischt. 2008 rutschte der Konzern in die roten Zahlen, der Schuldenberg ist wegen der Übernahme der Ex-Siemens-Tochter VDO riesig. Die Dividende wurde gestrichen, der Sparkurs verschärft. Ende des Monats sind nach Firmenangaben in Deutschland rund 25 000 Beschäftigte in Kurzarbeit, bis Ende März wurden rund 6000 Jobs weltweit abgebaut. Bereits im vergangenen Jahr hatte Conti rund 8000 Stellen gestrichen.

Der Vorwurf an Schaeffler: Je länger ein Konzept fehle, desto mehr werde das Geschäft von Conti gelähmt. Mitarbeiter und Kunden seien zutiefst verunsichert. Schaeffler hat sich bei der Übernahme des drei Mal größeren Conti-Konzerns total verhoben. Die Gruppe, die knapp 50 Prozent an Conti hält, braucht Milliarden, bittet um Staatshilfen, im Hintergrund machen die Banken Druck. Ein seit Langem angekündigtes Konzept zur Zukunft von Schaeffler und Conti gibt es bislang nicht.

Vorstandschef Karl-Thomas Neumann versucht nun, den Druck auf Schaeffler zu erhöhen. Innerhalb von maximal 100 Tagen müsse es ein tragfähiges Zukunftskonzept geben, das Antworten auf Fragen gebe wie: Soll sich Conti auf das Geschäft als Autozulieferer konzentrieren, was wird aus der Reifensparte? Welche Unternehmensteile sollen verkauft werden? Wie soll das Automobilgeschäft alleine die Zukunftsthemen finanzieren? Ohne grundlegende Weichenstellungen sei der Handlungsspielraum von Conti sehr eingeschränkt, bis hin zu »starken Lähmungserscheinungen«, so Neumann.

Die Schaeffler-Vertreter im Aufsichtsrat nehmen die Kritik äußerlich unbewegt zur Kenntnis – sie scheinen sich auf den massiven Gegenwind eingestellt zu haben. Ein Unternehmenssprecher sagt: »Wir haben immer betont, dass wir das Gesamtkonzept in enger Abstimmung mit Continental und allen anderen Beteiligten erarbeiten. Es ist auch in unserem Interesse, dass dieser Prozess so rasch wie möglich, jedoch auch mit der notwendigen Sorgfalt und Nachhaltigkeit vorangetrieben wird.«

Für Konflikte sorgt auch das geplante Aus für Reifenwerke in Hannover und im nordfranzösischen Clairoix mit insgesamt rund 1900 Beschäftigten. Vor dem Tagungssaal machen rund 2000 wütende Mitarbeiter aus Deutschland und Frankreich ihrem Ärger lautstark Luft. »Die kriminellen Bosse und Aktionäre erpressen uns mit dem Verlust unserer Arbeitsplätze«, ruft der französische Conti-Arbeiter Xavier Matthieu seinen Kollegen zu. Sie müssten jetzt vereint für ihre Rechte kämpfen.

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