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Correa vor Neustart als Präsident

Ecuador entscheidet am Super-Wahlsonntag über politische Zukunft

  • Jürgen Vogt, Buenos Aires
  • Lesedauer: 4 Min.
»Voran mit dem Wandel«, »Keine Stimme der Vergangenheit« – mit diesen Slogans war Ecuadors Präsident Rafael Correa landauf und landab gezogen, um Wahlkampf für diesen Supersonntag zu machen.

In Ecuador stehen am Sonntag der Präsident, sein Vize, die 118 Delegierten der Nationalversammlung, 46 Provinzpräfekten, 221 Bürgermeister und 1581 Stadt- und Landräte zur Wahl. So sieht es die neue Verfassung vor, die in einem Referendum Ende September 2008 von der Bevölkerung angenommen worden war.

Staatspräsident Correa selbst könnte diesmal Geschichte schreiben. Erstmals seit der Rückkehr des Landes zur parlamentarischen Demokratie vor 30 Jahren hat ein amtierender Staatschef gute Chancen auf eine direkte Wiederwahl und dies bereits im ersten Wahlgang. Dazu benötigt Correa 40 Prozent der Stimmen und einen Vorsprung von 10 Prozent auf den Zweitplatzierten. Nach den letzten Umfragen würden ihm 50 Prozent der 10,3 Millionen Wahlberechtigten ihre Stimme geben.

Unter Correas Herausforderern sind altbekannte Gesichter. Da ist zum einen Expräsident Lucio Gutiérrez, der 2005 vorzeitig aus dem Amt gehoben wurde. Zum anderen der millionenschwere rechte Unternehmer Alvaro Noboa, der bereits zum vierten Mal in Folge kandidiert. In den Umfragen liegen sie um die 16 bzw. 12 Prozent an zweiter und dritter Position. Dennoch werden ihnen keine Chancen eingeräumt.

Die eigentlich spannende Frage ist, ob Correa mit seiner Alianza PAIS (AP) in der Nationalversammlung eine eigene Mehrheit zustande bekommt. Bisher konnte die Opposition Blockadepolitik oder Koalitionspoker betreiben. »Es reicht nicht, nur Präsident und Vize zu wählen, man muss die ganze Liste wählen«, forderte Correa seine Anhänger auf, ihre Kreuzchen auch bei den Kandidaten der AP für die Nationalversammlung zu machen. Politisch etikettiert wird die AP mit linkssozialdemokratisch, aber ihr Bewegungscharakter macht eine eindeutige Zuordnung schwierig. In ihr tummelt sich von Linken bis hin zu Populisten so einiges. Bisher hat Correa es geschafft, politische Stabilität herzustellen, nachdem drei Vorgänger wegen Protesten und Unruhen der Bevölkerung das Präsidentenamt vorzeitig verlassen mussten. Dennoch ist seine kurze Amtszeit nicht nur eine Erfolgsgeschichte.

Zu Beginn galt der 46-Jährige als durchsetzungsfähig. Bewies doch gerade die harte Auseinandersetzung zwischen Correa und der konservativen und korrupten Politklasse in der Nationalversammlung sein Stehvermögen. Mit der Zeit entpuppte sich seine Beharrlichkeit als autoritär und eigensinnig. Als Caudillo oder Napoleon wird er in den Karikaturen oft gezeichnet. Sein Umgang mit den sozialen Bewegungen und Umweltgruppen hat ebenfalls dazu beigetragen. So bezeichnete er die Proteste von Indigenen- und Umweltgruppen gegen ein neues Bergbaugesetz, das den multinationalen Minengesellschaften die weitere Ausbeutung von Lagerstätten in ökologisch sensiblen Gebieten gestattet, mehrmals als »indigenen Kinderkram«.

Zudem kommt die in der neuen Verfassung ausdrücklich festgeschriebene Bürgerbeteiligung an den Entscheidungsstrukturen nicht voran. Sie scheiterte bisher vor allem an Correa selbst, der nicht willens und von seinem Charakter her nicht in der Lage zu sein scheint, Kompetenzen abzugeben.

Zugute kommt dem Land die Sturheit ihres Präsidenten, wenn es um die Vergabeverhandlungen für die Ölförderkonzessionen geht. Correa hat es geschafft, in seinen gerade mal zwei Jahren Amtszeit neue und für Ecuador bessere Verträge mit allen großen Ölfördergesellschaften auszuhandeln, die im Land tätig sind, darunter die spanische Repsol, die brasilianische Petrobras und der chinesische Zusammenschluss Andes Petroleum. »Man muss die Firmen dazu bringen, dass sie für das Land arbeiten,« so Correa vor einigen Tagen.

Rückhalt hat der Präsident vor allem in den ärmeren Wählerschichten. Deren Lebenssituation hat sich durch die neuen Sozialprogramme der Regierung tatsächlich spürbar verbessert. Dennoch leben 40 Prozent der knapp 14 Millionen Einwohner Ecuadors nach offiziellen Angaben noch immer in Armut. Und hier liegt auch die zukünftige Gefahr für Correa.

Die internationale Finanzkrise macht sich durch den fallenden Erdölpreis bemerkbar. Erdöl ist die wichtigste Einnahmequelle, auch für den Staatshaushalt. Die Dollarreserven des Landes sind seit Oktober 2008 bereits um 3 Milliarden auf 3,3 Milliarden Dollar beschrumpft. Correa selbst hat eingestanden, dass er mindestens 1,5 Milliarden Dollar zur Deckung des laufenden Haushaltes braucht. Kürzungen nach den Wahlen werden unvermeidlich sein, möglicherweise auch bei den Sozialausgaben.

Correa hatte das Präsidentenamt am 15. Januar 2007 angetreten. Die nächste Amtszeit geht über vier Jahre und wäre nach der neuen Verfassung Correas erste. Ein Kniff, den bereits viele Präsidenten Lateinamerikas angewandt haben. Und da die neue Verfassung zudem die direkte Wiederwahl erlaubt, könnte Correa bis 2017 im Amt bleiben.

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