Keine Arbeit mehr für »Scheiß«-Geld

Pflegebeschäftigte begannen Arbeitskampf der besonderen Art

  • Peter Nowak
  • Lesedauer: 2 Min.
Mit einem »Scheiß-Streik« wehren sich seit Montag Pflege- und Assistenzkräfte gegen schlechte Arbeitsbedingungen und niedrige Löhne.

Die Toilettenhäuschen, die am Montag vor der Berliner Senatsverwaltung Integration, Arbeit und Soziales aufgebaut waren, sollten für Aufmerksamkeit sorgen. Daneben hatten sich rund 50 Beschäftigte des ambulanten Pflege- und Assistenzbereiches versammelt. Es war der Auftakt eines ungewöhnlichen Arbeitskampfes: Am 27. April begann der bundesweite »Scheiß-Streik«. Einen Monat lang werden Pflege- und Assistenzbeschäftigte den bei der Arbeit anfallenden Kot in verschließbare Röhrchen füllen und an die ihrer Meinung nach für die soziale Misere Verantwortlichen schicken. Der Senat wurde gewählt, weil 2010 Budgetverhandlungen mit dem Paritätischen Wohlfahrtsverband anstehen.

Auf der Kampagnenhomepage www.jenseits-des-helfersyndroms.de sind neben Politikern auch Zeitarbeitsfirmen, kirchliche Träger, Arbeitsagenturen und Krankenkassen als potenzielle Adressaten der Kotröhrchen aufgeführt.

»Seit dem Jahr 2000 hat es bei uns keine Lohnanpassung mehr gegeben. Seit letztem Jahr sind alle neu Eingestellen mit Lohnkürzungen von 20 Prozent konfrontiert«, schildert Carsten Does, Betriebsrat bei den Ambulanten Diensten (AD) Berlin gegenüber ND. Bei anderen Betrieben sieht die Situation nicht besser aus. Eine Beschäftigte des Pflegedienstes »Lebenswege« ist mit ihrer Geduld am Ende: »Sehr viel wird in der letzten Zeit über den Notstand im Pflegebereich gesprochen. Doch wir sind seit Jahren mit einer ständigen Verschlechterung unserer Arbeitsbedingungen konfrontiert.« Mit dem »Scheiß-Streik« solle deutlich gemacht werden, dass es reiche. Das Motto der Aktion lautet: »Für das Geld machen wir den Scheiß nicht mehr... weg!«.

Mittlerweile sind Vergütungen von bis zu 30 Prozent unter dem Tarif des Öffentlichen Dienstes in der privaten Pflege üblich. Leiharbeitsfirmen übernehmen viele Aufgaben. Auch Erwerbslose werden im Rahmen von Ein-Euro-Jobs in Heimen oder der Hauspflege privater Dienste eingesetzt. Dadurch steigt der Druck auf Löhne und Arbeitsbedingungen weiter.

Wie ernst die Lage ist, zeigt der große Unterstützerkreis. Dazu gehören die Unabhängige Arbeitnehmervertretung in der persönlichen Assistenz (UAPA), die anarchosyndikalistische Freie Arbeiterinnen und Arbeiter Union, aber auch der Fachbereichssekretär Altenhilfe und Gesundheitsberufe von ver.di Berlin, Michael Musall. Auch der ver.di-Arbeitskreis »undokumentiertes Arbeiten«, der sich um die Organisation von Beschäftigten ohne Papiere kümmert, will fleißig Röhrchen füllen.

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