Wenn die Brasilianer kommen ...

Mosambiks Kooperativenwirtschaft droht bei Auslieferung an Spritproduzenten das Aus

  • Serena Cosi und Markus Plate
  • Lesedauer: 4 Min.
Mosambik gilt in Sachen gerechter Landverteilung als positives Beispiel in Afrika. Noch! Denn die Kooperativenwirtschaft, die das sozialistische Mosambik nach seiner Unabhängigkeit gründete, wird seit einigen Jahren in Frage gestellt, auf die Unterstützung der Regierung können die Kleinbauern kaum noch hoffen.

Seit Jahrzehnten wird sie gefordert: Eine umfassende Landreform in den Ländern des Südens, weg von der Latifundienwirtschaft, hin zu einer gerechteren Verteilung des Landes. Die Praxis sah und sieht anders aus: Die »Landreform« der letzten beiden Jahrzehnte ist eine vom »Markt« gesteuerte. Produziert wird, was der Weltmarkt will, nicht unbedingt das, was die Bevölkerung braucht. Mosambik ist da bisher eine Ausnahme.

Chokwue liegt etwa hundert Kilometer nordöstlich der mosambikanischen Hauptstadt Maputo und ist die Hauptstadt der Provinz Gaza. Die Straße von Maputo nach Chokwue ist übersät mit Schlaglöchern. Vier Stunden holpert der alte Linienbus durch die Savanne, vorbei an mit Stroh gedeckten Hütten und Mangobäumen. Mehrmals überquert eine Brücke den Limpopo-Fluss, der frisches Wasser in diese Gegend führt, die ansonsten unter einer fürchterlichen Dürre leidet. Dank des Limpopo konnten die portugiesischen Kolonialherren hier ein Bewässerungssystem anlegen, das heute von den kleinen mosambikanischen Kooperativen genutzt wird.

Francisca und Ester sind Mitglieder der Kooperative Josina Machel, wie alle hier haben beide ein kleines Stückchen Land, ihre eigene »Machamba«. Aber dann gibt es auch noch das Gemeinschaftsland. »Jeden Montag und Freitag treffen wir uns hier und bearbeiten es gemeinsam«, erzählen die beiden: »Wenn wir den Reis, den Mais und alles, was wir hier anbauen, geerntet haben, bringen wir die Ernte zum Präsidenten der Kooperative. Und das, was wir nicht verkaufen, teilen wir unter uns auf. Für uns ist es sehr gut, Teil einer Kooperative zu sein.«

Nach der Unabhängigkeit im Jahre 1975 und der Flucht der Portugiesen stand der sozialistische, mosambikanische Staat vor der schwierigen Aufgabe, die Landwirtschaft zu reorganisieren, um die Ernährung der Bevölkerung zu gewährleisten. »Der größte Teil des Bewässerungssystems, das über Jahrzehnte von den Europäern benutzt worden war, lag still«, berichtet Joaquim Funzano, Präsident einer örtlichen Kooperative und Mitglied der UNAC, der Nationalen Kleinbauernvereinigung. Der Staat musste sich etwas einfallen lassen, wie diese verlassenen und so fruchtbaren Länder wieder bestellt werden sollten. Und so gründete er die Landkooperativen.

Doch in den letzten Jahren haben die Entscheidungsträger in Politik und Wirtschaft den Kooperativen vorgeworfen, zu wenig zu produzieren – gemessen an den Vorgaben und Kriterien internationaler Institutionen und Geldgeber. Finanzspritzen und Kredite indes blieben aus. Die Rufe aus der Politik wurden lauter, das Land zu privatisieren, es an Investoren und große Agrarunternehmen zu verkaufen und die Kooperativen zu Gunsten von Monokulturen und der Exportproduktion aufzulösen. Das soll dem Staat Geld bringen, der Entwicklung dienen und Arbeitsplätze schaffen.

Ousseman, Soziologe und Gründer der Kleinbauernvereinigung UNAC, sieht das anders: Regierung und Medien stellen die Energiepflanze Jetropha als Boom-Pflanze dar, obwohl wir wissen, dass an vielen Orten zu viel produziert wurde und hinterher keiner wusste, wie man die Ernte verkaufen sollte.«

Vor allem Brasilien hat die Zusammenarbeit mit Mosambik intensiviert. Der Gigant der weltweiten Biospritproduktion dehnt seinen Einfluss zunehmend in die ehemaligen portugiesischen Kolonien Afrikas aus. Tausende Hektar sind sind im Rahmen dieser Zusammenarbeit bereits für die Bioethanol-Produktion reserviert. Ousseman sieht auch dies sehr kritisch: »Wir verlieren riesige Landflächen an den Anbau von Energiepflanzen – zum Schaden der eigenen Nahrungsmittelproduktion.« Für Brasilien hat diese Kooperation – gerade angesichts des Widerstands gegen die Zuckerrohr- und Sojawirtschaft im eigenen Land oder in Paraguay – noch große Wachstumspotenziale. Unter den sozialen und ökologischen Folgen hätte allein Mosambik zu leiden.

Seit dem Ende des sozialistischen Experimentes 1989 und dem weltweiten Siegeszug des Wirtschaftsliberalismus sind die Kooperativen fast Relikte aus einer untergegangenen Epoche. Während anderswo im Süden ein radikales Umdenken in der Landwirtschaftspolitik immer lauter eingefordert wird, setze der mosambikanische Staat immer weniger auf seine kleinbäuerliche Kooperativen-Landwirtschaft. Schon während der katastrophalen Überschwemmungen vor acht Jahren kam die Regierung ihren Kooperativen kaum noch zur Hilfe.

Doch was wird aus den Bauern, wenn die Kooperativen tatsächlich aufgelöst werden? Im Versammlungsraum der Kooperative diskutieren Funzano, Francisca und Ester. Die Kinder um sie herum, die sie immer mit zur Arbeit nehmen, wenn gerade keine Schule ist. Sie reden in Shangane, ihrer Muttersprache, über den Einfall der Monokulturen in das Land der Kooperativen, nach Mosambik. Während sie diskutieren, stampft Funzano Maismehl, um Xima zuzubereiten, die Hauptspeise des ländlichen Mozambik.

Wenn die Kooperativen aufgelöst würden, dann würden sie alle arbeitslos, müssten wie so viele in die Armenviertel der Peripherie Maputos ziehen. Und dann müssten sie industriell gefertigte Xima essen, gekauft in irgendeinem Supermarkt der Hauptstadt.

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