Netzlos

»Freier« Fall

  • Katharina Dockhorn
  • Lesedauer: 2 Min.

Vom Film oder Fernsehset direkt in die Arbeitslosigkeit – für die Hälfte der rund 20 000 Mitarbeiter vor und hinter der Kamera ist dies seit Einführung der Agenda 2010 Realität. Aber obwohl sie in die Arbeitslosenversicherung einzahlen müssen, bekommen sie keine Leistungen, da sie nicht die geforderte Anzahl von einem Jahr Beschäftigungszeit innerhalb von zwei Jahren erreichen.

Arbeitsminister Olaf Scholz legte Ende März einen Gesetzentwurf vor, nach dem die Anrechnungszeit auf sechs Monate gesenkt wird. Diesen Schritt begrüßen die Interessenvertreter der Filmschaffenden. Bauchschmerzen bereiten ihnen aber Kriterien, durch deren Anwendung bis zu 80 Prozent der Beschäftigten ausgeschlossen werden. Gerechnet werden nämlich nur Drehzeiten, die nicht länger als einen Monat dauern. Hier hat Scholz Nachbesserungen versprochen – länger als sechs, höchstens acht Wochen will er nicht gehen. Regisseure sind jedoch im Schnitt 10 bis 25 Wochen beschäftigt, ihre Assistenten sechs bis 13 Wochen. Kameraleute kommen auf sechs bis 15, Schnittmeister auf 13 bis 18 Wochen, wobei Arbeitszeiten von 60 Stunden und mehr in der Woche die Regel sind.

Auch wer mehr als 30 240 Euro im Jahr verdient, soll leer ausgehen, obwohl bis zur Beitragsbemessungsgrenze von 64 800 Euro eingezahlt wird. »Diese ist offensichtlich verfassungswidrig und gehört gestrichen«, so Heinrich Schafmeister, Vorstand der Schauspieler-Vertretung BFFS. Während das Ministerium eine Wartezeit einführen wollte, die individuell aus der durchschnittlichen berufstypischen Beschäftigungspause errechnet werden sollte, schlägt Schafmeister vor, die Pause nach den Einkommen zu staffeln. Eine niedrig bezahlte Garderobiere hat sofort Anspruch auf ALG1, Höchstverdiener müssten warten. Dieser Passus ist mittlerweile gestrichen, nachdem den Beamten von Scholz und Politikern auffiel, dass die Betroffenen in dieser Zeit weder renten- noch krankenversichert sind.

Alle Branchenvertreter hoffen auf weitere Verbesserungen. Und die Zeit drängt. Wenn sich die Koalitionsparteien nicht in diesem Monat einigen, kann der Gesetzentwurf in dieser Legislaturperiode nicht mehr verabschiedet werden.

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