nd-aktuell.de / 05.05.2009 / Brandenburg / Seite 19

Alltag, Aufbau, Arbeiterfleiß

Der Gropiusbau erinnert zum 15. Todestag an »Eine Frau mit Kamera: Liselotte Grschebina«

Volkmar Draeger
Tel Aviv, ca. 1940
Tel Aviv, ca. 1940

Durchquert man im Gropiusbau die Hannes-Kilian-Ausstellung, so gelangt man in einen Saal, der in prägnanter Auswahl das kleine, feine OEuvre von Liselotte Grschebina, der wichtigsten deutsch-israelischen Fotografin des letzten Jahrhunderts, vorstellt. Es ist die erste Retrospektive zum fast verloren gegangenen Werk der Künstlerin. Nach ihrem Tod fand Sohn Beni Gjebin in einem Wandschrank den fotografischen Nachlass, schenkte die rund 1800 Fotos dem Israel Museum Jerusalem. Dort wurde das ungeordnete, undatierte, spärlich kommentierte Material wissenschaftlich aufgearbeitet. Nicht nur waren viele Bilder bis dato unbekannt, auch Grschebinas Leben musste recherchiert werden.

Das begann 1908 in der jüdischen Karlsruher Kaufmannsfamilie Billigheimer. Acht Jahre später fällt ihr Vater als Soldat im 1. Weltkrieg. Die Tochter studiert Malerei und Gebrauchsgrafik in Karlsruhe, in Stuttgart Werbefotografie, was sie kurzzeitig in Karlsruhe unterrichtet. Ihr Studio Bilfoto, laut Geschäftskarte auf Kinderfotografie spezialisiert, besteht kaum ein Jahr: Noch vor Machtantritt der Nazis schließt sie, heiratet in Danzig, emigriert 1934 nach Palästina. In Tel Aviv eröffnet sie erneut kurz ein Studio, arbeitet dann zu Hause, nimmt an Ausstellungen teil, 1938 auch in jüdischen Einrichtungen Berlins. Mit anderen deutschen Emigranten gründet sie 1939 die erste unabhängige Fotografenorganisation Israels, ist 13 Jahre lang Fotografin einer zionistischen Frauenorganisation. In den 1960ern zieht sie sich zurück, 1994 stirbt sie.

Gut 100 Beispiele ihrer fotografischen Auffassung zeigt »Eine Frau mit Kamera: Liselotte Grschebina«. Überspannt die schlicht betitelte Exposition hauptsächlich den Zeitraum von 1929 bis in die 1940er, enthält sie auch einige Aufnahmen aus den 1960ern, die auf Glanzpapier Eindrücke von der Insel Rhodos fixieren.

Typischer für eine Sichtweise ganz aus der Aufbruchsstimmung der Weimarer Republik sind die frühen Fotos. Beeinflusst waren sie von der 1925 begründeten Neuen Sachlichkeit und ihrer fotografischen Spezialrichtung »Neues Sehen«, zu deren Exponenten der Bauhäusler László Moholy-Nagy gehörte. Reklamefotografie, nüchtern und zweckdienlich, bildet nicht nur den Ausgangspunkt bei Grschebina; ihr wird sie die Karriere über verbunden bleiben. Sie wirbt, bereits mit starker Betonung der Diagonalen, für Seidenstrümpfe, ist fasziniert von Bretterstapeln und deren Produktionsstätte, drapiert und collagiert fantasievoll Federn, Masken, Menschen – darunter den Tänzer Alfred Bortoluzzi –, hält Alltag in Karlsruhe fest. In Palästina wirbt sie für eine Eisenbahngesellschaft, eine Molkerei, private Auftraggeber, erzählt klar, mit bescheidener Zurückhaltung und dokumentarischem Spürsinn vom Aufbau in den Kibbuzim, bannt Arbeiterfleiß, Kinderspiel, Familienleben aufs Bild, lässt in den Gesichtern Porträtierter Stolz auf das Erreichte aufscheinen.

Inszeniert sie in Karlsruhe die Dinge im Atelier, entdeckt sie die Dinge in Palästina in ihrem natürlichen Umfeld, etwa Details der Bauhaus-inspirierten Architektur in Tel Aviv. Wirken Grschebinas Sportlerfotos aus den 1930ern noch statuarisch, sind ihre späteren Porträts und Aufbaufotos berührender Teil eines Kaleidoskops israelischen Lebenswillens.

Bis 28.6., Mi.-Mo., 10-20 Uhr, Martin-Gropius-Bau, Niederkirchnerstr. 7, Kreuzberg, Telefon 25 48 60, Infos unter www.gropiusbau.de[1]

Links:

  1. http://www.gropiusbau.de