Wenn der pflegebedürftige Vater ins Heim muss

Grundstücksübertragung

  • Lesedauer: 3 Min.
Trotz vermeintlicher rechtlicher Absicherung entstehen mitunter Streitigkeiten zwischen Familienangehörigen einerseits und mit dem Sozialhilfeträger andererseits um Haus und Grund, wenn Vater oder Mutter pflegebedürftig werden und nur der Weg ins Heim bleibt. Ein Urteil des Bundesgerichtshofs setzt sich damit auseinander. Rechtsanwalt Jürgen Naumann, Berlin-Mitte, übersandte es dem Ratgeber.

Ein Eigentümer eines mit einem Einfamilienhaus bebauten Grundstücks übertrug dieses 1993 mit Notarvertrag seinem Sohn. Als Gegenleistung erhielt der Vater Wohnrecht, Kost und Pflege bei Krankheit. Die Verpflichtung zur Gewährung von Kost und Pflege sollte nur bestehen, »solange der Berechtigte in dem Vertragsanwesen wohne und die Pflege ohne Inanspruchnahme einer bezahlten Pflegeperson möglich« sei. Sollte der Vater in einem Heim aufgenommen werden, sollte die Verpflichtung zur Verköstigung und Pflege ruhen, ohne dass der Sohn dafür einen Ausgleich bzw. Ersatz zu leisten habe.

2005 wurde der Vater pflegebedürftig in ein Heim aufgenommen. Die Rente reichte nicht aus. Also wurde ihm zusätzlich Sozialhilfe gewährt. Der Sozialhilfeträger klagte beim Sohn die entsprechenden Ansprüche ein – 158 Euro monatlich seit 1. Juli 2005. Das Amtsgericht gab der Klage statt. Das Landgericht setzte die Zahlungsverpflichtung auf 128 Euro herab und wies die weitere Klage ab. Revision war zugelassen.

Das Landgericht hielt den Übertragungsvertrag zum Teil für sittenwidrig und nichtig. Der beklagte Sohn habe seinem Vater den Betrag zu erstatten, den er durch den Heimaufenthalt erspare. Dieser Betrag werde mit 128 Euro monatlich bemessen.

Der BGH befand, dass das rechtlicher Nachprüfung nicht standhält. Aus dem Übertragungsvertrag von 1993 ergäben sich keine Zahlungsansprüche, die auf den Kläger übergeleitet werden könnten. Der Vertrag weise keine Lücke auf. Zahlungsansprüche als Ersatz würden ausdrücklich ausgeschlossen. Der Vertrag sei nicht sittenwidrig, da er »nach Inhalt, Beweggrund und Zweck« nicht »dem Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden widerspricht«, so die Richter BGH.

Der BGH verglich die Grundstücksübertragung mit einer Schenkung. Auch in diesem Fall führt die Verarmung eines Schenkers nicht zur Missbilligung und Nichtigkeit der Schenkung. Auch dann nicht, wenn der Schenker nach der zehnjährigen Befristung verarmt ist und keinen Anspruch mehr auf Rückforderung hat. Diese Wertung gelte erst recht, wenn es sich nicht um reine Schenkung, sondern um Übertragung eines Hausgrundstücks mit gewisser Gegenleistung wie Kost und Logis handelt.

Übergabeverträge wie der Vertrag von 1993 nehmen in der Regel eine Erbfolge vorweg und haben den Charakter einer gemischten Schenkung. Der Übernehmer nimmt den nur relativ geringen Aufwand für Beköstigung und Pflege in Kauf, möchte seine Lebensführung aber nicht mit zusätzlichen Zahlungsverpflichtungen belasten. Auch das verstößt nicht gegen gute Sitten, auch wenn nun der Träger der Sozialhilfe eintreten muss.

Auch den Vater des Beklagten traf keine Verpflichtung, über Leistungen an die gesetzliche Rentenversicherung hinaus für sein Alter vorzusorgen. Er war in seiner Entscheidung frei, das Haus gegen Gegenleistung oder auch ohne zu übertragen. Auch hier bestehen keine Anknüpfungspunkte für Sittenwidrigkeit.

Der BGH kommt zu dem Schluss, dass Vater und Sohn nicht in ein gesetzliches Konzept zum Nachteil des Trägers von Sozialleistungen eingegriffen haben. Der Nachranggrundsatz der öffentlichen Hilfe ist nicht berührt.

Urteil des BGH vom 6. Februar 2009, Az. V ZR 130/08

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