nd-aktuell.de / 06.05.2009 / Wirtschaft und Umwelt / Seite 10

Kampf gegen Steuerflucht

US-Präsident Obama will Schlupflöcher für Konzerne stopfen

John Dyer, Boston
US-Präsident Barack Obama will – nach dem scharfen internationalen Vorgehen gegen Steueroasen in aller Welt – nun auch im eigenen Land die Steuerflucht von reichen US-Privatleuten und Unternehmen bekämpfen. Die Konzernlobby macht Front gegen die Pläne.

Barack Obama hat am Montag eine Reihe von Maßnahmen gegen die Steuerflucht ins Ausland angekündigt. So will er Schlupflöcher stopfen, die es reichen Bürgern und Unternehmen bisher ermöglichen, ihr Vermögen oder ihren Gewinn vor der US-Steuerbehörde in internationalen Finanzoasen zu verbergen. Dies soll dem Staat über zehn Jahre rund 210 Milliarden Dollar zusätzlich in die Kasse spülen, mit denen u. a. Steuererleichterungen für Mittelschicht und ehrliche Unternehmen finanziert werden könnten.

Der Präsident erklärte, es gehe um einen Ausgleich zwischen jenen Firmen, die Geld und Arbeitsplätze ins Ausland brächten und sich so einen Wettbewerbsvorteil erschlichen, sowie jenen, die in den USA blieben und hier Jobs schafften. »Eine der Stärken unserer Wirtschaft ist der globale Ansatz der Geschäftstätigkeit«, sagte Obama. Aber Unternehmen dürften nicht dafür belohnt werden, wenn sie »Jobs über unsere Grenzen nach draußen schaffen oder ihre Gewinne in ausländische Steueroasen verbringen«.

Die Großkonzerne machen bereits Front gegen den Obama-Plan. Im März haben General Electric (GE), Microsoft und 200 Firmen der US-Handelskammer erklärt, solche Pläne würden die US-Firmen in ihren Grundfesten erschüttern. In einem Brief erklärten sie, was Obama vorhabe, würde die größte Steuererhöhung für Unternehmen seit 1986 bedeuten. »Das ist einfach schlecht«, sagt Kenneth Kies, ein Lobbyist der »Federal Policy Group« in Washington, die GE, Microsoft und andere Firmen vertritt. »Das wird der härteste Kampf der Unternehmen in den kommenden beiden Jahren.«

In Hintergrundgesprächen mit den Medien nannten Beamte des Weißen Hauses, die um Anonymität baten, konkrete Beispiele für Steuerflucht. 2004 hätten international tätige US-Konzerne lediglich rund 16 Milliarden Dollar an Steuern für Auslandsgewinne von 700 Milliarden bezahlt. Das entspricht einer Steuerbelastung von lediglich 2,3 Prozent, verschwindend gering im Vergleich zum Spitzensteuersatz von 35 Prozent für Unternehmen in den USA.

Das größte Schlupfloch, das Obama stopfen möchte, ist unter dem Namen »Check the Box« bekannt. Dieses 1997 vom demokratischen Präsidenten Bill Clinton eingeführte Verfahren sollte ursprünglich dazu dienen, Steuerrückzahlungen zu erleichtern und die ausländische Besteuerung von Firmen zu verhindern. Tatsächlich aber nutzten viele Firmen das Instrument, um der Besteuerung durch die US-Steuerbehörde IRS zu entgehen. Nach diesem Verfahren können Firmen wählen, wie sie steuerlich veranlagt werden, welcher Teil ihrer Gewinne und Vermögen als im Ausland liegend angesehen werden. Viele Unternehmen hatten daraufhin Tochtergesellschaften in Ländern gegründet, die Einlagen gar nicht oder nur gering besteuern. Die Mutterfirma in den USA »borgt« dann bei der ausländischen Tochter Geld und setzt in den USA die Zinsen dafür steuermindernd ab.

Präsident Clinton hatte noch versucht, die Bestimmung zu verändern, als klar wurde, wie sie angewandt wurde. Aber die Lobby der Großkonzerne und die damalige republikanische Mehrheit im US-Kongress verhinderten dies. Immer wieder haben Demokraten seither – auch Obama als Senator – versucht, die Regelung abzuschaffen. Im Januar stellte der US-Kongress fest, dass 83 der 100 größten US-Firmen »Steuer-Bunker« in Finanzoasen haben.

Obama will ferner die Praxis abschaffen, die es amerikanischen Unternehmen erlaubt, im Ausland anfallende Kosten sowie ausländische Steuern von der Steuerschuld in den USA abzuziehen. Er wies darauf hin, dass die Unternehmen über die Jahre Wege gefunden hätten, ihre ausländischen Steuern um 43 Milliarden Dollar aufzublähen.

Der Plan des Präsidenten sieht ferner die Einstellung von 800 zusätzlichen Steuerprüfern vor. Für reiche Einzelpersonen will Obama zudem die Beweislast umkehren. Bisher mussten ihnen im Verdachtsfalle die Behörden Steuerhinterziehung mittels ausländischer Guthaben nachweisen, was kaum möglich war. Künftig sollen die Privatpersonen den Nachweis der rechtmäßigen Versteuerung erbringen müssen.