Demmin: Chef der Ausländerbehörde freigesprochen

Dem Beamten wurde vorgeworfen, einen Asylbewerber genötigt zu haben – nachweisen ließ sich das laut Richter nicht

  • Velten Schäfer, Schwerin
  • Lesedauer: 3 Min.
Gehst Du zur Presse, kriegst Du Probleme – das soll der Leiter der Demminer Ausländerbehörde einem Armenier gegenüber geäußert haben. Gestern hob das Landgericht Neubrandenburg eine Geldstrafe gegen den Mann auf: Im Zweifel für den Angeklagten. Bleibt nun alles beim alten in der Behörde?

»Alle Menschen im Landkreis Demmin sind sensibilisiert und informiert über Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus und beteiligen sich aktiv und verantwortungsvoll für Demokratie und Toleranz in ihrem Umfeld.« So lautet das »Leitziel« Nummer eins des Programms »Vielfalt tut gut«, mit dem das Bundesfamilienministerium auch im Nordosten für ein verträgliches Miteinander der Menschen sorgen will. Lokaler Ansprechpartner für das Programm ist Rainer Plötz, Leiter des Ordnungsamts und damit auch für die Ausländerbehörde des Kreises zuständig.

Aus Sicht von Flüchtlingsorganisationen ist die Stelle des Gärtners im Landkreis mit einem Bock besetzt. Bei ihnen, so sagen sie, sammelten sich seit Jahren Beschwerden von Asylbewerbern über diskriminierendes Verhalten von Mitarbeitern. Im Sommer 2007 etwa bestätigte Plötz gegenüber einer Journalistin, dass Mitarbeiter der Ausländerbehörde bei der Arbeit Gas- und Schreckschusswaffen trugen: das sei »Privatrecht«. Er kontrolliere nur den Waffenschein – für dessen Ausstellung Plötz als Ordnungsamtschef selbst zuständig ist.

Im selben Artikel findet sich eine Aussage, die jetzt schon zum zweiten Mal vor Gericht landete: Plötz habe einem armenischen Asylbewerber im Beisein einer Mitarbeiterin einer Flüchtlingsorganisation gedroht: »Wenn du dich an die Presse wendest, wird sich das nicht positiv auf deinen Aufenthaltsstatus auswirken«.

Der Mann zeigte Plötz daraufhin an, und im November verurteilte das Amtsgericht Neubrandenburg den Verwaltungsbeamten aufgrund der Aussage der Flüchtlingshelferin erstinstanzlich wegen versuchter Nötigung zu einer Geldstrafe von 5400 Euro. Plötz, der bestreitet, diesen Satz geäußert zu haben, ging in Berufung. Gestern nun hob das Landgericht Neubrandenburg das Urteil des Amtsgerichts auf: »Es war nicht zweifelsfrei festzustellen, welche Worte damals wirklich gefallen sind«, beschied Richter Matthias Brandt. Im Zweifel für den Angeklagten.

Unklar bleibt weiterhin, ob und welche Konsequenzen das Urteil vor Ort haben wird. Der im vergangenen Jahr gewählte Landrat Siegfrid Koniecny (LINKE) war bis Redaktionsschluss nicht zu erreichen. Vor dem Verfahren hatte er gesagt, er wolle den Ausgang des Prozesses abwarten.

Die Grünen im Kreistag hatten dagegen bereits nach dem erstinstanzlichen Urteil Konsequenzen gefordert: In der Ausländerbehörde müssten »neues Personal und neue Strukturen« eingeführt werden. Es dürfe nicht sein, »dass gerade Menschen, die aus Angst aus ihren Heimatländern geflohen seien, jetzt Angst vor einer deutschen Behörde« hätten, erklärte der Grünen-Kreispolitiker Georg Nikelski damals. Gestern sagte Nikelski, es sei gut, dass das Verfahren nun geklärt sei. Dennoch müsse man sich im Klaren darüber sein, dass die Atmosphäre zwischen dem Ausländeramt und seinen Kunden getrübt bleibe: »Ich wünsche mir, dass der Landrat mit der neuen Situation sehr sensibel umgeht. Nötig ist ein Neubeginn in der Behörde.«

Unstrittig sind Plötz' Aussagen zum dienstlichen Waffentragen. Sie wurden von der Journalistin auf Band festgehalten.

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