SPD hat Gewerkschaften auf ihrer Agenda 2009

Gemeinsames Positionspapier für ein sozialeres Europa

  • Gabriele Oertel
  • Lesedauer: 3 Min.
Es ist wie ein Märchen aus uralter Zeit: SPD und Gewerkschaften kämpfen im Schulterschluss für ein und dieselbe Sache. Im Vorfeld der Europawahl am 7. Juni streiten sie gemeinsam für mehr soziale Rechte in der Europäischen Union (EU), verkündeten Spitzenvertreter gestern in Berlin. Als Wahlempfehlung für die SPD wollte DGB-Chef Michael Sommer das dennoch nicht verstanden wissen.

Erst das SPD-Wahlprogramm, jetzt ein gemeinsames Positionspapier mit den Gewerkschaften – pünktlich vor den in diesem Jahr anstehenden Wahlen proben die Spitzensozialdemokraten die Rolle rückwärts. Zurück zur guten alten Arbeiterpartei, als die sie weit über ihre tatsächlich praktizierte Politik galten. Bis, ja bis Ex-Kanzler Gerhard Schröder mit der Agenda 2010 für den nicht mehr zu kaschierenden Bruch mit der Stammklientel der SPD sorgte und Zehntausende aus der Partei – entweder in die politische Abstinenz oder zur LINKEN – trieb.

Die noch bis weit in die Große Koalition von SPD-Vizekanzler Franz Müntefering und Schröder-Einflüsterer Frank-Walter Steinmeier vehement verteidigte Agenda des Sozialkahlschlages, die die Eiszeit zwischen SPD und Gewerkschaften besiegelt hatte, kommt beim heutigen Wieder-Partei-Chef Müntefering und Kanzlerkandidaten Steinmeier im SPD-Wahlprogramm 2009 nicht mehr vor. Tauwetter ist angesagt, damit die SPD endlich von den bei 25 Prozent schier festgefrorenen Umfragewerten losgeeist werden kann. Und als trauten die Genossen der zündenden Wirkung des Friedensangebots durch verschämtes Schweigen nicht, fand gestern unter der Ägide der als SPD-Linke geltenden Parteivize Andrea Nahles ein weiterer wärmender Akt der Annäherung an die Gewerkschaften statt.

Eine Annäherung per Positionspapier, das laut Nahles nicht nur »gemeinsame Willenserklärung«, sondern »Aktionsprogramm« sein soll. Das dürfte Sommer – dem schwebt eine soziale Fortschrittsklausel vor, mit der in der EU sozialen Grundrechten Vorrang vor Binnenmarktfreiheiten eingeräumt werden sollen – gefallen haben. Aktionsprogramme mögen deutsche Gewerkschaften. Jedenfalls mehr als die Aktionen selbst. Ob allerdings mit dem neuen Papier in der EU tatsächlich Dumpinglöhnen der Kampf angesagt und ein Streikrecht durchgesetzt werden können, glauben vermutlich nicht einmal die Verfasser selbst.

Nahles, die bekanntlich seit ihrem gemeinsamen Papier mit einem britischen Labour-Politiker als Verfechterin einer »guten Gesellschaft« gilt – was auch immer das sein soll –, hat freilich im Unterschied zu Parteichef und Spitzenkandidat Schröders Reformagenda immer mal wieder kritisiert. Das macht sie glaubwürdiger als manch anderen Genossen – wiewohl sie mit ihren Stratagie-Papieren auch ganz eigene strategische Ziele nicht aus dem Blick verliert. Doch der einst geradezu naturgesetzlichen Gefolgschaft der Gewerkschaften kann sich die SPD nicht mehr sicher sein – auch wenn ihre Politiker 2009 nicht wie in vergangenen Jahren bei Mai-Kundgebungen ausgeladen wurden.

Als Wahlempfehlung für die SPD wollte der DGB-Chef deshalb auch die gestrige Vereinbarung nicht verstanden wissen. »Wir machen Empfehlungen für Politik, nicht für Parteien«, erklärte er. Aber weit entfernt von der guten Gesellschaft der Andrea Nahles ist Sommer auch nicht. In einem Interview mit »spiegel-online« hatte der DGB-Chef Ende 2008 bekannt: »Die Gewerkschaften standen und stehen immer für den kleinen Fortschritt und für das kleine Glück.«

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