»Jacob Zuma ist einer von uns«

»JZ« gilt als volksnah – und umstritten. Heute soll er neuer Präsident Südafrikas werden

  • Georg Schleicher
  • Lesedauer: 6 Min.
Er ist der neue starke Mann Südafrikas. Der jüngste deutliche Wahlsieg des Afrikanischen Nationalkongresses ANC wird mit seinem Namen identifiziert – Jacob Zuma. Die Wahl des ANC-Chefs zum Staatspräsidenten durch die Nationalversammlung am heutigen Mittwoch gilt als sicher.

Es war ein langer Weg für Jacob Zuma – aus dem ländlichen Zululand zum Union Building im Zentrum der Hauptstadt Tshwane (Pretoria), wo der 67-Jährige am kommenden Samstag mit großem Pomp als Staatspräsident Südafrikas vereidigt wird. Der Mann, der künftig die Republik auch bei den G8 und auf anderen wichtigen Treffen vertreten wird, kommt als erster von vier schwarzen Präsidenten in Südafrikas »Neuzeit« nicht aus der Bildungselite. Er wuchs in einfachsten Verhältnissen auf, ohne Schulbildung. Früh trat er dem ANC bei und beteiligte sich am bewaffneten Befreiungskampf. Während zehn Jahren Haft auf Robben Island lernte er Lesen und Schreiben und schärfte sein politisches Profil. Sein Lehrmeister war Nelson Mandela.

Bruch mit dem Freund Thabo Mbeki

Danach ging Zuma in den Untergrund und dann ins Exil. 1978 wurde er in die ANC-Exekutive gewählt und arbeitete eng mit Thabo Mbeki zusammen. Nach 1990 nahm er in Südafrika an den Verhandlungen mit Vertretern des alten Regimes teil und vermittelte erfolgreich in den blutigen Auseinandersetzungen in seiner Heimat KwaZulu-Natal.

Seit 1997 stellvertretender Chef des ANC, wurde Zuma 1999 von Präsident Mbeki zum Vizepräsidenten des Landes berufen. 2005 kam es jedoch zum Bruch mit dem langjährigen Freund und Mentor. Als sein Finanzberater wegen Fälschung und Korruption verurteilt und Zuma selbst angeklagt wurde, setzte Mbeki ihn als Vizepräsident des Staates ab. Es schien das Ende von Zumas politischer Karriere. Doch Zuma gab nicht auf, hatte starke Unterstützung in der Partei, wo seine Abwahl als ANC-Vize scheiterte. Er bestritt alle Korruptionsvorwürfe. Der Druck der Medien blieb, aber Zuma ging aus all dem scheinbar gestärkt hervor.

So auch aus dem Führungskampf mit Mbeki, der Zuma als seinen Nachfolger verhindern wollte. Zumas Wahlsieg als ANC-Präsident auf dem Parteitag 2007 in Pholokwane entschied den Kampf. Doch damit war der Weg für ihn noch nicht frei. Er wurde erneut angeklagt, es ging um Korruption, Fälschung, Geldwäsche, Schieberei und Steuerhinterziehung. Für seine Anhänger, das ist die Mehrheit des ANC, war Zuma Opfer politischer Intrigen.

2008 trat Staatspräsident Mbeki auf Druck der ANC-Exekutive zurück. Frustrierte ANC-Mitglieder gründeten den Volkskongress COPE. Von dort, aber auch von der oppositionellen Demokratischen Allianz wurde Zuma persönlich scharf attackiert. Südafrikas Wahlkampf geriet zu einer Auseinandersetzung pro und contra Zuma. Kurz vor den Wahlen wurden die Anklagen gegen Zuma fallen gelassen. Er selbst, der stets seine Unschuld beteuerte, erklärte, er werde im Falle einer Verurteilung zurücktreten. Die Opposition will die Anschuldigungen weiter verfolgen.

Nunmehr wird dieser umstrittene Jacob Zuma Staatspräsident. Seine Partner im Ausland haben kaum Probleme mit der Akzeptanz Zumas. Das wurde 2008 deutlich, als er wichtige Partnerländer besuchte, so auch Deutschland. In Afrika genießt Zuma Ansehen, er hat sich dort bereits als Vermittler bewährt. Als einer der ersten gratulierte vergangene Woche der britische Premierminister Gordon Brown dem ANC-Chef zum Wahlsieg.

Ein Volkstribun, wie ihn die Massen lieben

Zuma unterscheidet sich deutlich von Mbeki, gibt sich betont traditionell und volksnah, das hat ihm das Etikett populistisch eingebracht. Er ist ein Volkstribun, wie ihn Afrikas Massen mögen, er sucht den Kontakt zu den Menschen. Die Botschaft »Zuma ist einer von uns« kam im Wahlkampf an. Konsequenz paart sich bei ihm mit politischer Klugheit und persönlichem Charme. Gesprächspartner unterstreichen Zumas persönliche Wärme – er sei ein aufmerksamer Zuhörer. JZ, wie er populär genannt wird, hat schon verkündet, er wolle als Staatspräsident volksnah bleiben, sein Handy nicht abgeben, auch weiterhin mit einfachen Menschen unter einem Baum sitzen – und er werde für Journalisten zugänglich bleiben.

Es gibt auch den anderen Jacob Zuma – der tritt überlegt, besonnen, zurückhaltend auf. Er forderte im Wahlkampf Anerkennung politischer Realitäten und konstruktiven Umgang mit der Opposition, mahnte Toleranz, Verständnis und Patriotismus an. Zuma kann mit schwarzen Slumbewohnern ebenso kommunizieren wie mit weißen Wirtschaftsbossen.

In langen Jahren seiner politischen Entwicklung hat er sich verändert. 1986 traf ich Zuma und Thabo Mbeki in Harare. Es war Mbeki, der fast den ganzen Nachmittag sprach, Zuma hörte damals nur zu und war sehr aufmerksam. Jahre später in Durban schien Zuma ein völlig anderer Mensch. Es ging 1999 um die Sicherung friedlicher Wahlen in der Problemprovinz KwaZulu-Natal. Zuma, damals Provinzminister, brillierte – politisch agil, selbstbewusst, äußerst umgänglich mit politischen Kontrahenten, als Vermittler ganz in seinem Element. 2008, inzwischen ANC-Präsident, gab er sich bei einem Forum in Berlin zurückhaltend, staatsmännisch, ließ sich nicht zu öffentlicher Kritik an Mbeki provozieren. Ein vielschichtiger, begabter Politiker, pragmatisch und taktisch klug. Das erschwert seine politische Zuordnung. Oft als »Linker« bezeichnet, ist er wohl eher Projektionsfeld linker Politik, Zuma selbst schweigt dazu.

Keine Zugeständnisse an westliche Normen

Msholozi, so sein Clan-Name in Zulu, identifiziert sich mit seiner traditionellen Kultur, ohne die üblichen Zugeständnisse an westliche Normen. Er ist mit mehreren Frauen verheiratet und tritt bei traditionellen Anlässen im Leopardenfell auf. Sein Lieblingssong »Awulethu uMshini wami« – »Bring mir mein Maschinengewehr« – ist ein Traditionslied des Befreiungskampfes, keinesfalls eine Drohgebärde. Sein Biograph Jeremy Gordin meint dazu, Zuma schockiere Weiße oft, weil er aus einer Welt komme, die nicht die ihre sei. Er zwinge die Menschen, genauer hinzusehen. Zuma polarisiert – schwarze Südafrikaner geben ihm von 10 Punkten 7,7, weiße aber nur 1,9. Ein Nebeneffekt: Der »Zuma-Faktor« führte zu einem deutlich gewachsenen Medieninteresse an Südafrika.

Angesichts der gewaltigen wirtschaftlichen und sozialen Probleme Südafrikas wird Zuma künftig wohl mehr die Innen- und Wirtschaftspolitik betonen. Die Selbstkritik des ANC kurz vor den Wahlen an der Effizienz des öffentlichen Dienstes und zur Politik der bewussten Förderung Schwarzer und der Landreform wird nicht einfach zu den Akten gelegt werden. In diesem Zusammenhang hieß es, von der neuen Führung sei kein Linksruck zu erwarten. Grundsätzlich wird es wohl keine Änderung der Politik des ANC geben. Das hat Zuma auch Wirtschaftsvertretern so erklärt und wurde daraufhin von COSATU kritisiert. Die Reaktion Zumas, er lasse sich seine Politik nicht vorschreiben, war vielleicht vorschnell. COSATU ist eine Macht in Südafrika, Zuma weiß das. Die Gewerkschaft hat bereits vom neuen Präsidenten mehr soziale Gerechtigkeit eingefordert.

Die faktische Zweidrittelmehrheit des ANC gibt Zuma ein starkes Mandat, er ist sehr populär. Doch er wird an seinen Taten gemessen werden und kann kaum mit Schonfrist rechnen. Das beginnt bei der Regierungsbildung. Seine Anhänger einerseits, die Wirtschaft und das Auslandskapital andererseits haben sehr unterschiedliche Erwartungen. Zuma erklärte, er wolle die Interessen seiner Bündnispartner und jene der Wirtschaft berücksichtigen. Er wolle ein Präsident aller Südafrikaner sein – eine Aufgabe, die dem neuen Mann im Union Building alles abverlangen wird.

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