Tbilissi: Moskau in Putschversuch verwickelt

Russland weist Vorwürfe zurück / NATO-Manöver in Georgien sorgt für neue Spannungen

  • Lesedauer: 3 Min.
Einen Tag vor Beginn eines NATO-Manövers in Georgien wurde in Tbilissi angeblich ein von Russland geplanter Militärputsch vereitelt.

Tbilissi (Agenturen/ND). Sieben Generale, die angeblich die Regierung von Präsident Michail Saakaschwili stürzen wollten, wurden festgenommen, wie Medien in Tbilissi am Dienstag berichteten. Saakaschwili warf Russland vor, mit Unruhen den Sturz der georgischen Führung provozieren zu wollen. Moskau wies den Vorwurf zurück. Ein Kremlsprecher empfahl Saakaschwili nach Angaben der Agentur Interfax, sich »an einen Arzt zu wenden«.

Die ranghohen georgischen Militärs sollen mit Hilfe russischer Geheimdienste einen Sprengstoffanschlag bei dem an diesem Mittwoch beginnenden Militärmanöver der NATO geplant haben, hieß es in Tbilissi. Russland kritisiert diese Übung scharf. Die Lage dürfe in dem Konfliktgebiet nach dem August-Krieg des Vorjahres nicht weiter destabilisiert werden. Der russische NATO-Botschafter Dmitri Rogosin bezeichnete die Putsch-Vorwürfe aus Tbilissi als »lächerlich«. »Wir haben uns allmählich schon an diese unsinnigen Anschuldigungen von georgischer Seite gewöhnt«, sagte er.

Dagegen behauptete ein Sprecher des georgischen Innenministeriums, russische Geheimdienste hätten die Operation finanziert. Die Behörden hätten eine »Verschwörung mit dem Ziel eines Militärcoups aufgedeckt«, berichtete das Staatsfernsehen Rustawi-2. Der Sender zeigte ein – wie es hieß – mit versteckter Kamera gedrehtes Video, auf dem der angebliche Drahtzieher, Gia Gwaladse, Vorgehen und Ziel des »Umsturzes« schilderte. Die georgische Opposition, die seit Wochen mit Straßenprotesten Saakaschwilis Rücktritt fordert, bezweifelte die Echtheit der Aufnahmen.

Es sei »absolut absurd«, dass jemand in Georgien, wie von Gwaladse in der Aufnahme geschildert, eine Vereinigung mit Russland anstrebe, sagte die Oppositionsführerin Nino Burdschanadse. Der Hauptverdächtige nennt auch die Namen der zu »liquidierenden« Regierungsmitglieder. Russische Sicherheitsexperten sprachen von einer »Inszenierung«. Bereits in der Vergangenheit hatte die georgische Führung Moskau mehrfach die Absicht eines Staatsstreichs unterstellt.

Nach Darstellung der georgischen Regierung kam es am Dienstag außerdem zu einer Meuterei in einem Panzerbataillon, wo Soldaten in der Ortschaft Muchrowani bei Tbilissi Befehle verweigerten. Laut Medien umzingelten Militärs die Kaserne. Saakaschwili verhandelte demnach selbst an Ort und Stelle mit den Soldaten, die wenig später ihre Waffen streckten. Die Lage im Land sei unter Kontrolle, teilte ein Regierungssprecher am Nachmittag mit.

In Georgien hat sich die innenpolitische Krise seit dem Krieg mit Russland im vergangenen August verschärft. Die Opposition in Tbilissi gibt Präsident Saakaschwili die Schuld an dem Krieg, in dessen Folge Russland die abtrünnigen Regionen Abchasien und Südossetien als unabhängige Staaten anerkannte.

Unterdessen haben sich wegen des NATO-Manövers in Georgien die Beziehungen zwischen Russland und dem Pakt erneut verschlechtert. Russlands Außenminister Sergej Lawrow sagte am Dienstag seine Teilnahme an einer für den 19. Mai in Brüssel geplanten Sitzung des NATO-Russland-Rates ab. Der Minister halte eine solche Beratung vor dem Hintergrund des an diesem Mittwoch beginnenden Manövers für »unpassend«, sagte der russische NATO-Botschafter Dmitri Rogosin. NATO-Generalsekretär Jaap de Hoop Scheffer bedauerte die Absage und verschob das Treffen des NATO-Russland-Rates auf einen späteren Zeitpunkt. Mit dem Treffen des Rates sollte die Zusammenarbeit zwischen beiden Seiten, die nach dem russischen Einmarsch in Georgien vom August 2008 von der NATO auf Eis gelegt worden war, wieder aufgenommen werden.

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