Bedroht, beschimpft und geschlagen

Ermittlungsausschuss moniert Polizeigewalt bei Mai-Randale / GdP fordert parlamentarisches Nachspiel

  • Martin Kröger
  • Lesedauer: 2 Min.

Die Scherben und der Müll am Kottbusser Tor in Kreuzberg sind längst auf BSR-Fahrzeuge verladen, die Pflastersteine wieder eingegraben – doch die heftigen Diskussionen über die 1. Mai-Randale gingen auch gestern weiter. Stand in den Tagen zuvor hauptsächlich die Gewalt der linksradikalen Autonomen, betrunkenen Anwohner, Krawalltouristen und jugendlichen Migranten im Fokus, meldete sich gestern der Berliner Ermittlungsausschuss (EA) zu Wort.

Die linke Rechtshilfeinstanz, die seit 30 Jahren bei Demonstrationen Festgenommenen einen Anwalt vermittelt und sich um die Betroffenen kümmert, stellte gestern ihre Bilanz vor. Wobei die Informationen des EA vornehmlich auf den Berichten der Festgenommenen beruhen – sie stammen aber auch von Augenzeugen, die die gewalttätigen Auseinandersetzungen und Scharmützel am Abend des 1. Mai in Kreuzberg beobachtet haben.

Dem Bericht zufolge kam es zu vielen brutalen Festnahmen. »In mindestens einem Fall wurde die festgenommene Person nicht ›abgeführt‹, sondern am Boden absichtlich von Beamten durch Scherben gezogen und so verletzt.« Auch von absichtlichen Faustschlägen und Tritten bis hin zum Kieferbruch nach erfolgter Festnahme hat der EA gehört. An einer Stelle sollen Beamte eine Tränengasgranate in einer großen Menschenmenge gezündet haben, wobei auch Polizisten verletzt wurden. Ebenso wurden Verhaftete ohne anwaltlichen Beistand dem Haftrichter vorgeführt, obwohl sie eine Prozessvollmacht hinterlegt hatten. »Die genaue Zahl der verletzten Demonstrierenden können wir nicht sagen«, erklärte Beate Beckmann vom EA. Sie dürfte jedoch deutlich im dreistelligen Bereich liegen.

Eine andere Sicht auf die Straßenkrawalle legte gestern dagegen erneut die Gewerkschaft der Polizei (GdP) vor, die ein parlamentarisches Nachspiel und eine gründliche Untersuchung des 1. Mai-Einsatzes fordert. Die Nachbereitung mit Bereitschaftspolizisten habe ergeben, dass politische Einflussnahme vor dem und beim Einsatz ursächlich für 440 verletzten Polizisten gewesen sei, schreibt die GdP. So sei die Gewaltzunahme aus dem linksradikalen Bereich durch Innensenator Ehrhart Körting (SPD) im Vorfeld nicht ernst genug genommen worden.

In der Linkspartei ging unterdessen die Debatte um die Anmeldung der Revolutionären 1. Mai-Demonstration durch den Lichtenberger Bezirksverordneten Kirill Jermak in die nächste Runde, der im N24-Fernsehen am Montagabend der Polizei die Schuld an den Krawallen in Kreuzberg zuschob. Dass er sich dabei nicht klar von den Randalierern distanzierte, sorgte in der LINKEN für neuerliche Diskussionen.

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