nd-aktuell.de / 08.05.2009 / Politik / Seite 4

Wessis dankten den Ossis für ihren Mut

Große Open-Air-Ausstellung über die Revolution 1989 in Berlin eröffnet

Karlen Vesper
Sinnträchtig wählten die Organisatoren den 7. Mai, den Jahrestag der folgenreichen Kommunalwahlen in der DDR, um die Open-Air-Ausstellung »Friedliche Revolution 1989/90« auf dem Berliner Alexanderplatz der Öffentlichkeit im Beisein von Politprominenz und ehemaligen Bürgerrechtlern zu übergeben.

Mit von der Partei war Liedersänger Wolf Biermann, obwohl er angesichts der in der Schau nachgestalteten weltgeschichtlichen Ereignisse vor 20 Jahren bekennen musste: »Und ich kann sagen, ich war nicht dabei gewesen!« Bärbel Bohley hatte den nach seiner Ausbürgerung 1976 in Hamburg Lebenden zwar brieflich zu der großen Kundgebung am 4. November 1989 eingeladen, doch ließen ihn die Sicherheitsorgane der damals noch von einer undurchlässigen Mauer umgebenden DDR nicht rein. Und so holte er also am gestrigen Donnerstag nach, was ihm damals nicht vergönnt war.

Er sang drei Lieder – a cappella. Denn seine Gitarre hat er nebst seiner Schreibmaschine einem Museum in Leipzig als »Tatwerkzeuge« vermacht. Ergo musste als instrumentale Begleitung diesmal Trommeln auf dem Rednerpult genügen – immerhin erzeugte es einen Sturm im Wasserglas, dem obligatorischen, das jedem Redner von einer umsichtigen Open-Air-Bedienung frisch gereicht wurde. Obligatorisch in allen Vorträgen Biermanns sind Verbalinjurien gegen Menschen, die er nicht leiden kann. Sie fehlten auch diesmal nicht. Bei »der hübschen Katechistin Marianne« wusste er aber von Anfang an: »Die ist echt.« Bierselig grinste der Barde vom Podium hinab zur Hüterin der Akten. Nicht so nett war er zu anwesenden Herren der Schöpfung: »Herr Steinmeier, ich weiß, dass sie mir geistig nicht folgen können.« Zum Regierenden Bürgermeister: »Es gibt Typen, denen geht es chronisch ausgezeichnet. Und das ist auch gut so. Missdeuten Sie das ruhig als Kompliment, Herr Wowereit.«

Es wirkte etwas anachronistisch, wie Vertreter westdeutschen Politikestablishments die friedlichen Revolutionäre der DDR bejubelten, ihnen mehrfach aus- und nachdrücklich dankten und immer wieder bekundeten, wie stolz sie auf jene seien, die den Mut aufgebracht hatten, das »SED-Unrechtsregime« zu stürzen und damit die deutsche Einheit erst möglich gemacht zu haben, die sie unisono als eine »geglückte« charakterisierten. Kein Wort über heutige Ausgegrenzte und Entmündigte. Mit einer Ausnahme – klare Worte kamen von den beiden Sozialdemokraten gegen rechtes Unwesen. Der Bürgermeister wünschte sich, dass in seiner Stadt Menschen anderer Hautfarbe sich wohl fühlen. Und der Kanzlerkandidat betonte: »Es kann nicht sein, dass in unserem Land Menschen durch die Straßen gejagt werden, die anders aussehen.« Auf einen, sich auf Tätlichkeiten am 1. Mai beziehenden Zuruf meinte er: »Das gilt auch für Polizisten, die ich aber aber nicht zu den Minderheiten zähle.« Den lockeren Reden der Profis von der SPD folgte moralinsaure Belehrung durch Kulturstaatssekretär Bernd Neumann. Das Unwissen unter den Jugendlichen über die DDR sei »ein Ergebnis von Verklärung und Ostalgie.« Und der Christdemokrat schimpfte: »Mir fehlt jedes Verständnis, wenn ein amtierender Ministerpräsident sich weigert, die DDR Unrechtsstaat zu nennen.«

Einer von jenen, die vor 20 Jahren dabei waren, und zwar schon als kritischer Wahlbeobachter am 7. Mai '89, hatte als letzter das Wort: Tom Sello von der Robert-Havemann-Gesellschaft, der die Ausstellung zu verdanken ist. Ein Besuch lohnt. Hier finden sich auch jene, die sich von der Einheit anderes erhofft hatten als ihnen beschert wurde, die gegen Plattmacher der Treuhand demonstriert und »Hände weg von der Bodenreform!« verlangt hatten.

p.s. Als der obligatorische Teil beendet, Dank- und Schimpfworte mit Sekt heruntergespült waren, erscholl plötzlich aus Lautsprechern »Wir sind das Volk!« über den Alex. Die fakultativ durch die Open-Air-Schau Schlendernde zuckte zusammen: Kein Volk da.