nd-aktuell.de / 09.05.2009 / Kultur / Seite 24

Schöner Wendepunkt

Carlos García Hernández, Schachlehrer

Man braucht nicht die chemische Zusammensetzung des Tones zu kennen, um eine Schale zu töpfern, sagt ein Sprichwort. Ebenso muss man kein guter Schachspieler sein, um eine schöne Schachaufgabe zu bauen. Es gibt aber bestimmte Fälle, bei denen man nicht weiß, ob die Praxis die Kunst imitiert, oder umgekehrt. Und es gibt bestimmte Schachpartien, in denen die Spieler eine so schöne Stellung erreichen, dass man meinen könnte, diese Position könne eigentlich nur das Ergebnis einer Schachkomposition sein.

Das ist der Fall mit der Stellung, die wir heute vorstellen; sie wurde nach 44 Zügen erreicht (siehe Diagramm). Es war die Partie zwischen GM Alfonso Romero Holmes (Spanien, 44) und GM Boris Kantsler (Israel, 47) bei der Europameisterschaft 2002. Holmes spielte mit Weiß. Wenn er am Zug gewesen wäre, wäre das Ergebnis der Partie klar: 45.Th8 – und Schachmatt. Doch in der vorliegenden Stellung war nicht er, sondern Kantsler mit Schwarz dran. Die Position sieht hoffnungslos für ihn aus, doch er schaffte es, die Partie noch zum remis zu drehen. Ein Feld war entscheidend, dass Weiß seine ganze Armee opfern musste. Wie ging das?