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  • Vor fünf Jahren wurde in Rom die Partei der Europäischen Linken gegründet

Zwei Schritte vorwärts, einer zurück

Die Europäische Linke sieht sich auf dem richtigen Weg – und hat neue Hürden zu überwinden

Fünf Jahre nach ihrer Gründung führt die Europäische Partei der Linken erstmals gemeinsam die Kampagne zu den EU-Wahlen im Juni. Aus den Kinderschuhen ist das Bündnis aber noch nicht heraus – wie auch die Vergangenheitsdebatte und der Austritt der Ungarischen Kommunistischen Arbeiterpartei zeigt.

Es ist wieder ein Handicap. 2004, im Wahlkampf zum Europäischen Parlament, brach sich Helmut Scholz, im Parteivorstand der LINKEN zuständig für die internationalen Beziehungen, den Fuß. Dieser Tage »erwischte« es ihn wieder, im Ruhrgebiet, beim Sprint zu einem Zug, der ihn zum nächsten Auftritt im Rahmen der Wahlkampagne bringen sollte. Termine will Scholz, der zugleich im Vorstand der Europäischen Linkspartei (EL) sitzt, trotz der geprellten Kniescheibe nicht absagen. Schließlich sind es nur noch vier Wochen bis zur Abstimmung über das neue Europaparlament. Und Europas Linke geht mit einer gemeinsamen Wahlplattform ins Rennen.

»Für mich ist das Glas halb voll«, antwortet Scholz auf die Frage, wie sich die EL in den vergangenen fünf Jahren entwickelt habe. Schließlich sei der Ansatz, Europas Linke demokratisch und gleichberechtigt zusammenzuführen sowie die Gemeinsamkeiten zu betonen, völlig neu gewesen. So dauerte es nach dem Ende des Realsozialismus, der die Linke in Ost- und Westeuropa in eine tiefe Krise stürzte, noch fast zehn Jahre, bis sich im Juni 1998 Vertreter einer Reihe von linkssozialistischen, kommunistischen und rot-grünen Parteien der EU an einen Tisch setzten, um über neue Formen und Wege der Zusammenarbeit zu beraten.

Weitere zehn Jahre später gehört die Verabschiedung der gemeinsamen Wahlplattform für die Europawahlen im Juni zu den wichtigsten Erfolgen der Europäischen Linken. Die inzwischen 19 Mitglieder und elf Beobachter der multinationalen Partei – vertreten in 21 Ländern – klopften die zentralen Forderungen für ein neues Europa fest: Frieden, Demokratie, Klima- und Umweltschutz und vor allem die Schaffung eines sozialen Europas sind die Stichworte des gemeinsamen Strategiepapiers. Als »Angebot«, auf dieser Basis den Wahlkampf in den einzelnen Ländern zu führen, hatte Lothar Bisky, EL-Vorsitzender und Spitzenkandidat der LINKEN für das EU-Parlament, das Dokument bezeichnet.

Der Einigkeit in den zentralen Fragen stehen jedoch durchaus auch unterschiedliche Ansichten in Einzelaspekten gegenüber. Diese entspringen nicht nur den verschiedenen regionalen und nationalen Gegebenheiten, die verschiedene Interessen hervorbringen. Auch in der politischen Einschätzung aktueller und historischer Prozesse gibt es zum Teil gravierende Unterschiede. Erst kürzlich monierte die Ungarische Kommunistische Arbeiterpartei die nach ihrer Ansicht in der EL vorherrschende kritische Bewertung des Realsozialismus. Diese Periode sei »eine der erfolgreichsten« in der Geschichte der früheren sozialistischen Länder gewesen und dürfe nicht auf den Stalinismus reduziert werden, heißt es in einer Ende April verabschiedeten Resolution. Zudem meinte die ungarische Partei, dass sich die EL Gruppierungen öffne, die »nichts mit der kommunistischen Idee gemein haben«. Und schließlich: »Wir wollen den Kapitalismus beseitigen, die Europäische Linke will ihn besser machen.« Die Konsequenzen in Budapest waren heftig: Die Kommunistische Arbeiterpartei Ungarns, eine der Mitbegründerinnen der EL, hat die Europäische Linke verlassen.

Dabei gilt gerade die »Ostseite« der Europäischen Linken noch immer als fragil. Obwohl Scholz in den vergangenen Monaten eine deutlich positive Entwicklung der Zusammenarbeit zwischen EL und progressiven Parteien in Osteuropa sieht. Es laufe ein »intensiver Prozess des Kennenlernens«, der allerdings nicht kurzfristig zu einem Mitglieds- oder Beobachterstatus führen werde. »Die Problematik Ost wird inzwischen auch im Westen als Herausforderung verstanden«, fasst Scholz zusammen.

Hausaufgaben muss die EL auch noch bei der Vermittlung europäischer Themen machen. Die Sorge um eine niedrige Wahlbeteiligung am 7. Juni treibt auch die Linke um. Laut einer zu Jahresbeginn europaweit durchgeführten Erhebung konnten nur 44 Prozent der in Deutschland Befragten das korrekte Wahljahr nennen; EU-weit waren es mit 32 Prozent sogar noch weniger. Und gerade einmal 43 Prozent der Bundesbürger gaben an, ihre Stimme abgeben zu wollen. Scholz sieht als eine der Ursachen dafür, dass von den Regierungsparteien »Inhalt und Mechanismen der europäischen Politik kaum vermittelt werden«. So soll beispielsweise der »Verschiebebahnhof«, mit dem Regierungen insbesondere unsoziale Entscheidungen auf die EU-Ebene verlegen und sich dann zu Hause auf die »Vorgaben aus Brüssel« berufen, nicht publik werden.

Gerade bei der Darstellung des Zusammenhangs zwischen nationaler und europäischer Politik will die EL aktiv werden – ob nun bei Auftritten im Wahlkampf, bei denen auch Partner aus dem Ausland zugegen sein sollen, bei der auch in diesem Jahr wieder stattfindenden Sommeruniversität, die sich mit der aktuellen Krise und linken Alternativen beschäftigen soll oder mit der längst überfälligen Modernisierung der EL-Homepage. Einig ist man sich dabei, dass es aber auch um eigene Angebote gehen muss. Denn allein für Kritik wird niemand gewählt.


Chronik

Januar 1999: In Paris verabschieden 13 Parteien einen gemeinsamen Aufruf zur Europawahl. Darin formulierten sie Prämissen für ein soziales und ökologisches, demokratisches friedliches und solidarisches Europa. Nach den Wahlen im Juni 1999 wurde auf dieser Grundlage die konföderale Gruppe der Vereinten Linken/Nordisch Grüne Linke (GUE/NGL) im Europäischen Parlament gebildet.

März 2003: Mit einer Beratung in Griechenland wird der aktive Parteibildungsprozess der Europäischen Linken eingeleitet. Im Laufe des Jahres wird über ein Grundsatzpapier und ein Statut beraten.

Januar 2004: In Berlin findet ein Treffen von Parteien statt, die mit einem gemeinsamen Aufruf »an alle interessierten europäischen linken Parteien« die Gründungsinitiative für die Partei der Europäischen Linken starten.

Mai 2004: Am 8. und 9. Mai findet in Rom der Gründungskongress der Europäischen Partei der Linken statt.

Oktober 2005: Auf dem ersten Kongress der EL in Athen wird die Absicht bekräftigt, gemeinsam mit sozialen Bewegungen, Gewerkschaften und politischen Linken für ein soziales, friedliches und demokratisches Europa zu kämpfen.

November 2007: Auf dem 2. Kongress in der tschechischen Hauptstadt wird der »Prager Appell für ein anderes Europa« verabschiedet. Gefordert wird ein »Politikwandel für mehr Demokratie und Gerechtigkeit, für Arbeit, ökologische Nachhaltigkeit und für Frieden«.

November 2008: Auf ihrer Wahlkonferenz in Berlin beschließt die EL ihre gemeinsame Plattform für die Europawahlen im Juni 2009.

April 2009: In Rom werden gemeinsame Wahlkampfaktivitäten in über zehn europäischen Staaten beschlossen. (sat)

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