Roter Sand im grünen Räderwerk

Dreitägiger Parteitag beschließt Programm sowie Aufruf zur Bundestagswahl

  • Uwe Kalbe
  • Lesedauer: 2 Min.
Die Grünen beraten seit Freitagabend auf einem Parteitag in Berlin über ihr Programm zur Bundestagswahl sowie über einen Wahlaufruf. Besonderer Aufreger hierbei: die Koalitionsfrage.

Angeblich ist die Grünen-Anhängerschaft der CDU längst näher als Wählern der LINKEN oder der SPD. Zugleich besteht die Parteilinke auf der Selbstbeobachtung, dass sie an Gewicht zugenommen habe. Die in diesen Analysen sichtbaren Diskrepanzen sind es, die Parteitage der Grünen so schwer voraussagbar machen. Der an diesem Wochenende vor der Partei liegende hat zumindest ein programmiertes Ergebnis: Die Delegierten werden das Gespann Renate Künast – Jürgen Trittin, zwei frühere Bundesminister und jetzige Fraktionsvorstände, zum Spitzenduo für den Wahlkampf küren und mit dem nötigen optimistischen Jubel versehen.

Wie dankbar das Lachen der beiden sein wird, ist dagegen offen. Bereits im März hatten sie und mit ihnen die gesamte Führung einen Dämpfer der Parteibasis wegstecken müssen, die die bereits öffentlich geäußerte Präferierung einer Ampelkoalition nicht akzeptieren wollte. Schnell ließ die Parteiführung die Koalitionsaussage wieder fallen. Im jetzigen Wahlaufruf ist eine wenig überraschende Absage an eine sogenannte Jamaika-Koalition (Schwarz-Gelb-Grün) enthalten, weitere Festlegungen finden sich nicht. Im Vorfeld des Parteitages sorgte ein Papier des Grünen-Finanzexperten Gerhard Schick für Unmut in der Führung, in dem er sich klar für eine rot-rot-grüne Option ausspricht. Schick begründet dies mit einem notwendigen »echten Neuanfang in der Finanzpolitik sowie bei der ökologischen und sozialen Ausrichtung der Wirtschaftspolitik«. Die Parteispitze hat hingegen eine solche Variante bisher unmissverständlich abgelehnt. Teile der Basis allerdings unterstützen sie seit langem.

Die Wirtschafts- und Finanzkrise steht auch im Zentrum des Wahlprogramms. Trittin begründete die Entscheidung in einem Interview explizit mit der Ungewissheit, welche Folgen die Krise auf das Wahlverhalten haben wird. Die Grünen werben nun mit dem Plan zur Schaffung einer Million neuer Arbeitsplätze. Dieses Ziel soll binnen vier Jahren durch Investitionen von 80 Milliarden Euro in Bildung und Ausbildung sowie in den ökologischen Umbau von Auto- und Chemieindustrie sowie Maschinenbau erreicht werden – bisher keine Synonyme grüner Identität.

Das Investitionsprogramm ist Teil eines grünen »Gesellschaftsvertrages«, dessen Details noch nicht Konsens sind, wie unglaubliche 1241 Änderungsanträge zeigen. Dabei geht es unter anderem um eine Grundsicherung für Kinder, die Höhe des Arbeitslosengeldes II, Mindestlöhne und die Höhe des Spitzensteuersatzes. Der Parteitag begann mit einer Rede von Cem Özdemir, in der dieser für Geschlossenheit der Grünen warb.

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