Der Stasi-Vorwurf bleibt gefährlich

Vize-Vorsitzende der Linksfraktion in Brandenburg/Havel gibt ihr Mandat ab

20 Jahre nach der Wende sollte es endlich genug sein. Die CDU in Brandenburg/Havel wollte nach der Kommunalwahl erneut alle Stadtverordneten daraufhin überprüfen lassen, ob sie hauptamtlich oder inoffiziell für das DDR-Ministerium für Staatssicherheit (MfS) gearbeitet haben. Die Sozialisten und die Sozialdemokraten verhinderten dies mit ihren Stimmen. Es hatte schon diverse Überprüfungen gegeben. Irgendwann müsse auch mal Schluss sein damit, hatte Linksfraktionschef Alfredo Förster gemeint. Er selbst ist nach eigenem Bekunden vom MfS beobachtet worden.

Auch die stellvertretende Vorsitzende der Linksfraktion, Ilona Friedland, stimmte gegen eine weitere Überprüfung. Doch nun fand die Birthler-Behörde in Chemnitz eine IM-Akte, die fast 300 Seiten dick sein soll und die Friedland zugeordnet wird. Die »Märkische Allgemeine Zeitung« zitierte schon ausführlich aus den Dokumenten, die überwiegend Abschriften von Tonbandprotokollen sein sollen.

Demnach ging die gebürtige Dresdnerin im August 1978 zur Volkspolizei in Karl-Marx-Stadt und erstattete Anzeige gegen einen BRD-Bürger, der ihr verdächtig vorkam. Als IM Monika soll sie hernach bis 1985 Bekannte bespitzelt und aus dem Elternaktiv der Schule ihrer Tochter berichtet haben. Auch in den Sachen einer Freundin soll sie heimlich gewühlt, deren Post durchgesehen haben. Für ihren Einsatz soll Friedland Geld bekommen haben.

Die Junge Union und die FDP forderten den Rücktritt der Kommunalpolitikerin. Am Montag sagte Friedland, dass sie ihr Mandat abgibt. Sie erklärte, dies sei keinesfalls ein Eingeständnis der Anschuldigungen. Sie habe wissentlich weder mündlich noch schriftlich eine Verpflichtung als IM abgegeben und sei »deshalb immer davon ausgegangen, nicht für die Stasi gearbeitet zu haben«. Die Kontakte zum MfS hängen Friedland zufolge allein damit zusammen, dass sie durch ihre Arbeit dazu verpflichtet gewesen sei, die Behörden über Westkontakte zu informieren, und dass eine bei der Volkspolizei gemachte Anzeige wegen Belästigung beim Ministerium gelandet sei.

Wer sich für die Linkspartei um ein Mandat bemüht, soll vorher etwaige Stasi-Kontakte ansprechen. Diese Regelung aus der Anfangszeit der PDS gilt nach wie vor. Friedland informierte nicht. Es sei für sie nicht einfach, die Vorgänge nach über 30 Jahren zu rekonstruieren. Die dicke Akte sei ihr unerklärlich, versicherte Friedland. Sie möchte mit Hilfe eines Rechtsanwalts klären, wie es zu der Akte kommen konnte.

Für ihre »engagierte und sachkundige« Arbeit habe die Linksfraktion Ilona Friedland gedankt, sagt der Stadtvorsitzende René Kretzschmar. Man habe zugesichert, ihr bei der Aufklärung beizustehen. Im Moment lasse sich nicht »objektiv« beurteilen, was an den Vorwürfen dran sei. Derartige Anschuldigungen bedürfen immer einer Prüfung des Einzelfalls und taugen nicht für eine »Hexenjagd«, machte Kretzschmar deutlich. Friedland werde stellvertretende Stadtvorsitzende bleiben. Nach Angaben Kretzschmars gehörte Friedland früher der SED an. Anfang der 1990er Jahre trat sie aus der PDS aus und kam dann vor einigen Jahren in die Linkspartei. Sie arbeitet als Geschäftsführerin einer Wohnungsbaugesellschaft.

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