Waffe: Fotoapparat

Eine Gruppe provoziert mit ihren Bildern vom Alltag in Palästina

Drehkreuz geschlossen – Dokument des alltäglichen Ausnahmezustands zwischen Israel und Palästina. An den Kontrollpunkten müssen Menschen teils viele Stunden warten und dann kann es sein, dass sie nicht durchgelassen werden.
Drehkreuz geschlossen – Dokument des alltäglichen Ausnahmezustands zwischen Israel und Palästina. An den Kontrollpunkten müssen Menschen teils viele Stunden warten und dann kann es sein, dass sie nicht durchgelassen werden.

Ein Fotografenkollektiv aus Tel Aviv dokumentiert soziales und politisches Leben in Israel und Palästina. Ihre Aufnahmen bilden eine kritische Gegenöffentlichkeit: Denn sie hängen nicht in Galerien, sondern an Häuserwänden.

Ihre Waffe ist der Fotoapparat. Bei Aktionen gegen Bulldozer, die in Palästina und Israel die Grenzmauer bauen, oder bei der Blockade israelischer Militärflughäfen sind Leute von Active Stills mit ihren Kameras dabei. Das Kollektiv hat sich im Jahr 2005 gegründet und versucht, ähnlich wie die Gruppe Arbeiterfotografie Köln oder das Umbruch Bildarchiv in Berlin, an der Seite sozialer Bewegungen in gesellschaftliche Auseinandersetzungen einzugreifen. Die Bilder der derzeit acht Fotografen aus Tel Aviv und ihren zahlreichen Zuarbeitern zeigen den für viele Israelis unbekannten Alltag der Palästinenser und die Auswirkungen der israelischen Politik. Sie dokumentieren die vielfältigen Aktivitäten politischer Gruppen gegen Krieg und Besatzung und liefern Bilder, die in den kommerziellen Medien nicht zu finden sind.

So war es zum Beispiel im Sommer 2006. Damals verletzten israelische Soldaten in dem nahe Ramallah gelegenen Dorf Bilin einen Demonstranten durch einen Kopfschuss schwer. Zeitungen und Sendeanstalten berichteten jedoch kaum darüber und zeigten auch kein Interesse an den Fotos der Ereignisse. Kurzerhand entschieden sich die Mitglieder von Active Stills, ihre Aufnahmen selbst zu veröffentlichen. Sie druckten Poster und plakatierten sie in großer Zahl an die Häuserwände Tel Avivs.

Die Gruppe will die Menschen auf der Straße direkt ansprechen und so das gesellschaftliche Desinteresse durchbrechen. Deswegen stellt sie ihre Aufnahmen nicht in Galerien, sondern im öffentlichen Raum aus. In der Regel werden die Fotografien mit erklärenden Bildbeschreibungen kostengünstig per Farblaserdruck in bis zu dreistelliger Auflage reproduziert. Active Stills und ihre Unterstützer hängen die Ausdrucke an öffentlichen Plätzen auf bereitgestellte Stelltafeln oder plakatieren sie einfach eigenmächtig an Wände und Mauern. Sie verstehen ihre Ausstellungen im städtischen Raum als eine Variante von »Reclaim the Streets«.

Mit ihren Fotografien informieren sie die Öffentlichkeit über soziale und politische Missstände innerhalb der israelischen Gesellschaft und in den besetzten palästinensischen Gebieten. Zwangsläufig provozieren solche Bilder: Oft sind sie nach wenigen Stunden zerkratzt, abgerissen, übermalt oder wurden kommentiert. Zuweilen entwickeln sich aus den handschriftlichen Bemerkungen regelrechte Diskussionen zwischen Unbekannten an den Häuserwänden. Die positiven Rückmeldungen, die per E-Mail eingehen, bestärke sie aber, berichtete eine Aktivistin dieser Tage in der Berliner Al-Hamra-Bar in der Raumerstraße 16. Dort und in vier weiteren Cafés der Stadt sind noch bis 21. Mai Fotografien der Aktivisten von Active Stills zu sehen.

Café Jaques, Maybachufer 8; Maison Blanche, Körtestr. 15; Vöner, Boxhagener Str. 56; Zur Fetten Ecke, Schlesische Str. 16.

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