nd-aktuell.de / 15.05.2009 / Wirtschaft und Umwelt / Seite 9

Mehr Klimaschutz durch Krise?

Spanien kann für 2008 erstmals sinkende CO2-Emissionen vermelden

Ralf Streck, Madrid
Jahrelang verfehlte Spanien die Kyoto-Ziele deutlich und landete damit in Europa auf einem unrühmlichen letzten Klimaschutzplatz. Die Krise führt nun aber zu sinkenden Kohlendioxid-Emissionen, was sich die sozialistische Regierung als Erfolg zuschreibt.

Ob Spanien den europäischen Spitzenplatz beim Verstoß gegen das Klimaschutzabkommen von Kyoto verlässt, muss sich zeigen. Doch erstmals hat sich das Land den Zielen wenigstens genähert. Nach einer Schätzung der Regierung habe sich 2008 der Ausstoß von CO2 um acht Prozent verringert. Zuvor waren die Emissionen stets gestiegen, doch den Sozialisten (PSOE) war es durch den verstärkten Einsatz von Wind- und Solarenergie gelungen, den Zuwachs wenigstens zu verringern. Nach Angaben der World Meteorological Organization in Genf nahmen die Emissionen 2007 nur noch um 0,5 Prozent zu. Spanien lag allerdings gut 53 Prozent über dem gemessenen Wert im Referenzjahr 1990. Bis 2020 wurde dem Land wegen nachholender Entwicklung ein Zuwachs von 15 Prozent zugebilligt.

Dass Spanien weniger Treibhausgase in die Umwelt bläst, ist kein wirklicher Erfolg der Klimapolitik, wie es die Staatssekretärin für den Klimawandel, Teresa Ribera, glauben machen will. Sie sprach von einem »Wandel bei der Stromerzeugung«, weil Kohle durch Gas ersetzt worden sei und dazu der Anteil erneuerbarer Energien gestiegen sei. Dabei waren 2007 nur 120 Betriebe für 36 Prozent der CO2-Emissionen verantwortlich. Allein die Kohlekraftwerke bliesen mit 70 Millionen Tonnen fast 16 Prozent der Gesamtmenge in die Luft, Zementfabriken mit 27 Millionen Tonnen fast doppelt so viel wie Erdölraffinerien. So war absehbar, dass mit der Krise der Ausstoß sinken würde, weil Kohlekraftwerke wegen sinkender Nachfrage zurückgefahren werden.

Die Regierung setzt aber auf eine wirtschaftliche Erholung. Kohlekraftwerke und Zementfabriken sollen dann wieder brummen und deshalb hat Spanien als erstes Land Emissionsrechte in Osteuropa billig eingekauft. Bis zu 159 Millionen Tonnen sollen es werden. Anders ist auch die Atompolitik kaum zu verstehen. Zwar verspricht die PSOE den Ausstieg und 2009 sollte der älteste Reaktor vom Netz gehen. Doch es scheint, dass dem Antrag der Betreiber entsprochen wird und die Laufzeit des 38 Jahre alten Atomkraftwerks Garoña erneut verlängert wird. Die Lizenz läuft im Juli aus und die atomfreundliche Aufsichtbehörde wirbt für eine Verlängerung. Dabei liefert der Reaktor nur 466 Megawatt – schon 2007 wurde mehr Strom über erneuerbare Quellen erzeugt als in den sechs pannengeplagten Atommeilern.

Weil nach den Wahlen 2008 das Umweltministerium geschleift und ins Ministerium für Landwirtschaft und Fischfang eingegliedert wurde, nehmen auch die Umweltorganisationen der Regierung die Erfolgspropaganda im Klimaschutz nicht ab. Statt einem »strukturellen Wandel« machen sie die Konjunktur und die geplatzte Immobilienblase für den verringerten CO2-Ausstoß verantwortlich. Sie gehen davon aus, dass er im Verkehrs- und Wohnungssektor weiter steigt, zu denen Ribera keine Daten lieferte. Auch in Madrid wird mit vielen Maßnahmen die Automobilindustrie gestützt, die Wärmedämmung von Häusern aber beispielsweise weiter sträflich vernachlässigt.