Westerwelle wartet auf ein Zeichen

Im Vorfeld des 60. Bundesparteitages fordert der FDP-Chef eine Koalitionsaussage von der CDU

  • Fabian Lambeck
  • Lesedauer: 3 Min.
Bei der FDP macht sich Katerstimmung breit. In den Umfragen verlieren die Liberalen an Zustimmung, und der potenzielle Regierungspartner von der CDU verweigert jegliche Koalitionsaussage. Deshalb ging FDP-Chef Westerwelle kurz vor dem heute beginnenden Bundesparteitag in die Offensive. Selbst eine Ampelkoalition mit SPD und Grünen mag der Liberale nun nicht mehr kategorisch ausschließen.

Die FDP ist auf dem Boden der Tatsachen angekommen. Von monatelangen Umfrage-Höhenflügen getragen, wähnten sich die Liberalen schon in der Regierungsverantwortung. Parteichef Westerwelle inszenierte sich gar als kommender Außenminister, der in die Fußstapfen Hans-Dietrich Genschers treten möchte. Doch wie so viele Blütenträume, scheinen auch die der Liberalen nicht zu reifen. In den jüngsten Umfragen verlor die FDP spürbar an Boden: Sah es lange Zeit so aus, als könnte man gar die zwanzig Prozent Marke reißen, liegt man derzeit wieder bei 13 Prozent – Tendenz fallend. Beschleunigt wird der Abwärtstrend offensichtlich vom Wunschkoalitionspartner CDU. Die Christdemokraten verweigern sich bislang einer klaren Koalitionsaussage zugunsten der FDP. Im Konrad Adenauer-Haus scheint man sich mit einer möglichen Weiterführung der Großen Koalition bereits abgefunden zu haben. Kanzlerin Merkel machte jüngst noch einmal deutlich, dass sie keinen Lagerwahlkampf führen werde – ein klarer Affront gegen die FDP. Guido Westerwelle reagierte dementsprechend verschnupft.

Nun trat der Parteichef die Flucht nach vorn an und verkündete im »Hamburger Abendblatt« vom Donnerstag, dass die FDP »keinem Rockschoß hinterher« rennen werde. Sichtlich gekränkt meinte der Liberale: »Von der Union wissen wir nur, dass sie regieren will – nicht wozu und mit wem«. Westerwelle vermittelt den Eindruck, als wolle er sich öffentlich vom Großen Bruder CDU emanzipieren. Zwar sei ein Bündnis mit SPD und Grünen derzeit inhaltlich ausgeschlossen, aber die FDP erwarte jetzt »ein klares Signal der Union«, warnte Westerwelle.

SPD-Parteichef Franz Müntefering frohlockte und machte den Liberalen im »Bonner General-Anzeiger« ein beinahe unmoralisches Angebot: »Es gibt ganz viele Überlappungen zwischen uns: innenpolitisch, außenpolitisch, Liberalität, Toleranz, Mittelstand«, behauptete der Sozialdemokrat. Er widersprach der Theorie, wonach nur Parteien mit programmatischer Nähe koalieren können

Die Liberalen halten sich alle Möglichkeiten offen, und so steht der heute in Hannover beginnende FDP-Bundesparteitag ganz im Zeichen der liberalen Selbstinszenierung. Das Wahlprogramm bietet den bewährten Mix: Bürgerrechte, eine »vernünftige Energiepolitik« und »Wohlstand für alle«. Das tut keinem weh und freut die Basis. Auch in Sachen Steuersenkungen bleibt man sich treu. Während die Neuverschuldung der Bundesrepublik in diesem Jahr auf 80 Milliarden Euro anwachsen könnte und die Steuerschätzer mit Mindereinnahmen von 316 Milliarden Euro bis 2013 rechnen, gibt man sich bei der FDP betont gelassen. Ein radikales Steuerkonzept mit Eingangssätzen von 10, 25 und 35 Prozent soll die Bürger nach dem Willen der Liberalen zukünftig vor allzu hohen steuerlichen Belastungen schützen.

Das alles ist nicht wirklich neu und bietet den 662 Delegierten in Hannover kaum Anlass zu Kritik oder gar Diskussionen. Auch die Wiederwahl des großen Vorsitzenden Westerwelle gilt als sicher. Allerdings könnte es mit der liberalen Gemütlichkeit spätestens nach der Bundestagswahl im September vorbei sein. Sollte dann erneut eine Bundesregierung ohne FDP-Beteiligung zustandekommen, dann dürfte die Luft für Parteichef Westerwelle dünn werden. Doch noch hält sich die FDP ja beinahe alle denkbaren Optionen offen.

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