Steuereinnahmen im Absturz

  • Rudolf Hickel
  • Lesedauer: 3 Min.
»Was ist unter diesem Regime des massiven Verlustes an Steuereinnahmen zu tun?«
»Was ist unter diesem Regime des massiven Verlustes an Steuereinnahmen zu tun?«

Gestern war es soweit: Eine hochkarätige Gruppe von Finanzexperten legte nach drei Tagen ihre Schätzung der Steuereinnahmen bis 2013 vor. Den Ergebnissen angemessen, wurde dieses Mal nicht in einem Schloss oder einer anderen Luxusherberge getagt, sondern im schlichten Finanzamt von Bad Kreuznach.

Unlängst soll der Bundesfinanzminister mitgeteilt haben, dass er am Tag der Verkündigung der Ergebnisse lieber im Bett bleiben wolle. In der Tat, gegenüber der letzten Schätzung vom Herbst 2008 muss mit einem bedrohlichen Absturz der Steuereinnahmen kalkuliert werden. Bis 2013 erwarten die Schätzer auf der Basis komplizierter Berechnungsmodelle gegenüber den bisherigen Planungen einen Steuereinbruch bei allen öffentlichen Haushalte von über 316 Milliarden Euro. Allein im laufenden Jahr ist ein Minus von 45 Milliarden ziemlich gewiss.

Die Hauptursache dieses gigantischen Steuerlochs ist klar. Bei der letzten Prognose im Oktober wurde für 2009 gemäß der Regierungsvorgabe viel zu optimistisch mit einem hauchdünnen Zuwachs der gesamtwirtschaftlichen Produktion gerechnet. Nach der Vorlage des Frühjahrsgutachtens wirtschaftswissenschaftlicher Institute muss jetzt mit einem Absturz des Bruttoinlandsprodukts um real sechs Prozent gerechnet werden. Allein durch die Anpassung der Konjunkturprognose reduzieren sich die erwarteten Steuereinnahmen um rund 30 Milliarden Euro.

Was ist unter diesem Regime des massiven Verlustes an Steuereinnahmen zu tun? Ein Finanzminister im rhetorisch angekündigten Tiefschlaf wäre eine Katastrophe. Gefordert ist eine kluge Politik. Denn zum Aderlass bei den Steuereinnahmen kommen wachsende Krisenkosten hinzu. Allein durch die Rettungsmaßnahmen der Banken, aber auch durch die Konjunkturprogramme mit dem 100-Milliarden-Schirm für die Wirtschaft werden die öffentlichen Haushalte belastet. Drei Empfehlungen bieten sich an:

– Generelle Steuersenkungen mit dem Schwerpunkt auf die Unternehmen sind absurd. Wer damit wirbt, handelt schlichtweg haushaltspolitisch unverantwortlich. Die Erfahrung der letzten Jahre zeigt, dass die Entlastung der Unternehmen mangels Wachstumswirkung die Staatsschulden nach oben getrieben hat. Dagegen sollten Steuererhöhungen bei den Spitzenverdienern und Vermögenden zur Finanzierung staatlicher Aufgaben durchgesetzt werden.

– In dieser wirtschaftlichen Krise dürfen die Staatsausgaben generell nicht gekürzt werden. Das ist die Lehre aus der katastrophalen Notverordnungspolitik von Heinrich Brüning unter dem Regime der Weltwirtschaftskrise am Ende der Weimarer Republik. Der Staat muss die gesamtwirtschaftliche Führungsrolle bei der Stärkung der binnenwirtschaftlichen Nachfrage vor allem über öffentliche Investitionsprogramme übernehmen.

– Um deren gesamtwirtschaftliche Wirkung zu verbessern, müssen öffentliche Investitionsprogramme über Kreditaufnahme finanziert werden. Kurzfristig trägt diese Expansionspolitik zur konjunkturellen Stärkung vor allem für die lokale Wirtschaft bei, was auch für höhere Steuereinnahmen sorgen würde. Langfristig profitieren künftige Generationen von der Finanzierung der Maßnahmen für eine bessere Umwelt und für Bildung.

– Nicht nur für die Banken müssen die Rettungsprogramme so gestaltet werden, dass die nutznießenden Unternehmen nach einer gelungenen Rettung deren Finanzierung übernehmen. Der vorübergehenden Sozialisierung der Verluste muss die Sozialisierung der Gewinne folgen.

In der wöchentlichen ND-Wirtschaftskolumne erläutern der Philosoph Robert Kurz, der Ökonom Harry Nick, die Wirtschaftsexpertin Christa Luft und der Wirtschaftswissenschaftler Rudolf Hickel Hintergründe aktueller Vorgänge.

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