Größte Sorge ist die Wahlbeteiligung

Parteien führen einen müden Europa-Wahlkampf um die 99 Abgeordnetensitze aus Deutschland in Straßburg

  • Frank Rafalski, dpa
  • Lesedauer: 3 Min.
Einen Rekord hat die Europawahl am 7. Juni bereits aufgestellt. Der Wahlzettel, den die Wähler in die Urne stecken werden, ist der bisher längste bei Wahlen. Mit 31 Vorschlägen ist er 94 Zentimeter lang. Neben den Alt-Parteien kämpfen so kuriose Vereinigungen wie »Die Violetten – für spirituelle Politik« oder »Die Piratenpartei« um die 99 Abgeordneten-Sitze aus Deutschland in Straßburg.

Sorgen bereitet den etablierten Parteien die Wahlbeteiligung. Sie könnte so niedrig ausfallen wie noch nie bei Europawahlen. 2004 lag sie schon bei schwachen 43 Prozent. Fällt sie diesmal unter 40 Prozent, wäre das ein Debakel für das Selbstverständnis des größten EU-Gründungsmitglieds, das sich traditionell als besonders europafreundlich sieht. In sieben Bundesländern finden gleichzeitig Kommunalwahlen statt. Die Hoffnung ist nun, dass diese bürgernahen Wahlen helfen, die Beteiligung insgesamt zu erhöhen.

Die CDU-Vorsitzende und Kanzlerin Angela Merkel hat schon mal vorsorglich jede Signalwirkung der Europawahl für die Bundestagswahl im Herbst bestritten: »Damit würde man dem großen Anliegen Europa auch gar nicht gerecht werden.« Die Umfragen signalisieren der Union Stimmeneinbußen. Sie kam 2004 auf 44,5 Prozent. Die SPD (2004: 21,5) kann dagegen mit Gewinnen rechnen. Die kleineren Parteien dürften insgesamt ebenfalls zulegen.

Am stärksten muss die CSU bangen. Sie hat bei der Landtagswahl im Herbst 2008 ihren Nimbus als Partei der absoluten Mehrheit verloren. Bei der Europawahl muss sie bundesweit die Fünf-Prozent- Hürde überspringen, um wieder Abgeordnete nach Straßburg zu entsenden. Auch bei deutlichen Stimmeneinbußen (2004: 57,4) dürfte sie das allerdings schaffen. Erst ab einem Ergebnis um 41 Prozent bei schwacher Wahlbeteiligung wird es für die bayerische Partei brenzlig. Spannend wird es auch für die Freien Wähler. Gelingt ihnen der Sprung nach Straßburg, wollen sie auch eine Kandidatur für den Bundestag prüfen.

Um so etwas wie Wahlkampfstimmung aufkommen zu lassen, müssten die Wahlkämpfer aber wenigstens ein oder zwei Themen finden, mit denen sie die Wähler für Europa begeistern können. Bislang Fehlanzeige. Die inhaltsarmen Wahlkampfslogans wirken nicht gerade zündend. Sie reichen von »Wir in Europa« (CDU) oder »Finanzhaie würden FDP wählen« (SPD) bis zu »Startklar für Europa« (FDP), »Vernunft!« (LINKE) und »WUMS!« der Grünen. Versuche aus der Union, inhaltliche Themen wie Türkei-Mitgliedschaft oder Volksbefragungen zu EU-Entscheidungen aufs Tapet zu bringen, brachten bislang keinen Schwung in den Wahlkampf. Zu sehr sind Regierung und Opposition mit der Bewältigung der Wirtschaftskrise beschäftigt.

Die fehlende Personalisierung im Wahlkampf versuchen Union und SPD mit ihrem Streit über den nächsten deutschen EU-Kommissar zu kompensieren. Die SPD will für die Nachfolge von Günter Verheugen wieder einen Sozialdemokraten in die nächste Kommission schicken. Die Union meldet dagegen den Anspruch an, nach 15 Jahren endlich wieder einen aus ihren Reihen für die »Regierung« der EU zu nominieren.

Auch dieses Thema dürfte die Masse der Wähler allerdings nicht gerade vom Hocker reißen und zur Wahlurne treiben. Über der Wahl schwebt derweil die große Frage der Reformfähigkeit der EU. Der Vertrag von Lissabon ist noch immer nicht unter Dach und Fach. Vermutlich erst im Oktober werden darüber die Iren in einem zweiten Referendum abstimmen.

Auch Deutschland selbst hat seine Hausaufgaben in Sachen EU-Reform noch nicht erledigt. Das Bundesverfassungsgericht muss erst noch über die Klagen aus dem Bundestag gegen den Reformvertrag von Lissabon entscheiden. Spätestens Anfang Juli soll es so weit sein. Die Europawahl ist dann schon längst vorbei. Foto: dpa

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