Neuer »Herr der Löcher«

Kabinett beschloss 2. Nachtragshaushalt – Opposition: Wahlkampf

  • Gabriele Oertel
  • Lesedauer: 2 Min.
Das Bundeskabinett hat am Mittwoch den Entwurf für den zweiten Nachtragshaushalt für 2009 beschlossen. Die Neuverschuldung steigt auf den neuen Rekordwert von 47,6 Milliarden Euro. Das sind 10,7 Milliarden Euro mehr als bisher vorgesehen. Und schon pfeifen die Spatzen von den Dächern, dass dies noch längst nicht das Ende der Fahnenstange ist.

Der gestrige Tag dürfte ein guter für Theo Waigel gewesen sein. Endlich hat der gerade 70 Jahre alt gewordene Ex-Bundesfinanzminister von der CSU seine ihm seit 13 Jahren anhaftenden Beinamen »Herr der Löcher« oder »Schuldenkönig« an den amtierenden SPD-Finanzminister Peer Steinbrück weiterreichen können. Denn mit dem gestrigen Kabinettsbeschluss für den zweiten Nachtragshaushalt 2009 ist Waigels 1996er Rekord von 40 Milliarden Euro Neuverschuldung gebrochen.

Und dabei muss es noch nicht einmal bleiben. SPD-Fraktionsvize Joachim Poß erwartet, dass noch ehe der Nachtragshaushalt den Weg vom Kabinett bis in den Bundestag zurückgelegt hat, an Schulden noch weiter draufgesattelt werden muss. Denn mit dem gestern beschlossenen Nachtrag – er reagiert auf wegbrechende Steuereinnahmen und Mehrkosten für den Arbeitsmarkt angesichts steigender Arbeitslosigkeit – sind die gerade vereinbarten Steuerentlastungen und die von den Bauern erstrittenen Mehraufwendungen für Agrardiesel noch gar nicht einberechnet. So dürfte der neue »Herr der Löcher« unter einer Neuverschuldung von 50 Milliarden kaum zum Halten kommen. Steinbrück verteidigt freilich den Schuldenrekord, verweist auf die »schlimmste Wirtschaftskrise seit dem Krieg«, wegen der man die Hände nun wirklich nicht in den Schoß legen könne und deshalb »in der Tat antizyklisch« reagiere.

Der einst große Möchtegerne-Haushaltsanierer Steinbrück ist inzwischen vorsichtiger geworden. Schon bei einem sogenannten Bürgergespräch im Berliner Ensemble hatte er am Sonntag eingeräumt, nicht zu wissen, wie die Krise ausgeht. »Ich kann Ihnen nicht sagen, ob noch Gespenster hinter der Ecke lauern.« Deshalb wohl will er sich auch über die Gesamtverschuldung des Bundes in diesem Jahr nicht festlegen. Die, so Steinbrück, sei derzeit nicht zu beziffern. Das Finanzloch könnte also noch viel, viel größer werden.

Bis 2013 werde die Neuverschuldung »nicht auf ein erträgliches Maß zurückgehen«, rechnet man im Hause Steinbrück. Im kommenden Jahr könnte die Neuverschuldung gar auf 80 Milliarden Euro steigen. Da allerdings ist die Bundestagswahl längst Vergangenheit. Apropos Wahlen. Während Steinbrück vor allem mit der Krise argumentiert, mit kreditfinanzierten Konjunkturprogrammen die »Situation erleichtern« will, spricht die Opposition von einem »Wahlkampf-Haushalt«. Gesine Lötzsch, Vize-Chefin der Linksfraktion im Bundestag, nennt den Nachtragshaushalt gar Wahlbetrug. »Mit dem geborgten Geld sollen Wahlgeschenke eingekauft werden.« Insbesondere Unternehmen könnten sich über weitere Steuersenkungen in Höhe von drei Milliarden Euro freuen. Allerdings sage die Regierung nicht, wer die Zeche bezahlen soll. Lötzsch: »Es ist davon auszugehen, dass die jetzt von der Bundesregierung beschlossenen Steuersenkungen nach der Wahl wieder mit einer Mehrwertsteuererhöhung für alle Bürgerinnen und Bürger ausgeglichen werden müssen. Das wäre ein erneuter Wahlbetrug von CDU/CSU und SPD.«

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