Zögerliche Lösung einer Starre

Eine Ausstellung in Nürnberg zu »Kunst und Kalter Krieg«

  • Harald Kretzschmar
  • Lesedauer: 3 Min.

Man könnte glauben, das belebende Feuer wahrhaftiger Kunst sollte am ehesten die erstarrten Fronten von entgegengesetzten Positionen im Kalten Krieg auflösen. Wenn man es nicht in den letzten zwei Jahrzehnten permanent anders erleben würde. Anachronistisch gewordene ideologische Positionen versperren den Weg zur befreienden Aufnahme alles dessen, was Jahrzehnte künstlerisch wertvoll war in allen Teilen des bereits seit zwanzig Jahren vereinigten Landes.

Nun haben deutsche Experten, mit der Nase darauf gestoßen von US-amerikanischen Kolleginnen, endlich die Courage, »Deutsche Positionen 1945 bis 1989« als Kunstbeziehung West zu Ost und umgekehrt zu untersuchen. Wenn ihre Ausstellung jetzt aus Los Angeles nach Nürnberg kam, und im Herbst auch in Berlin zu sehen sein wird, darf man einmal kurz aufatmen. Man genieße den Moment. Schnell verschlägt es einem wieder den Atem.

Dabei möchte man Stephanie Barron und Eckart Gillen so gern zu dem Mut gratulieren, das Riesenprojekt »Kunst und Kalter Krieg« in Angriff genommen zu haben. Bereits Ende der neunziger Jahre hatten als versierte Ausstellungsmacher die US-Amerikanerin Barron mit »Exil« und der Deutsche Gillen mit »Deutschlandbilder« Zeichen für die kritische Bewertung jüngster Kunstgeschichte gesetzt.

Nun dieses Thema: Was als zwei Hälften einer Kunstnation in Erscheinung trat, war abzuwägen in politischer Zielsetzung und künstlerischem Ergebnis. Nach so viel Bedenkzeit ist das ein faszinierendes Programm. Dem brisanten Thema widmete sich ein deutsch-amerikanisches Team kuratierender und kommentierender Damen und Herren. Wenig vertraut mit der Materie. Von zwei Ausnahmen abgesehen nicht persönlich bekannt mit den künstlerischen Zeitzeugen.

Nimmt man pars pro toto den spiegelgetreu die Ausstellung wiedergebenden Katalog zur Hand, wird man schnell nachdenklich. Von weit her geholte Fragestellungen führen oft ins Abseits. Ob deutsche Ästhetik national, gar nationalistisch sei – absurd. Wer ausschließlich politisch korrekt fragt, bekommt eben keine den Künstlern gerecht werdende Antworten. Antifaschismus in Frage stellen, Expressives beargwöhnen, eine Linke im Westen nur im RAF-Terrorismus wahrnehmen – alles recht problematisch. Bedeutungsschwer werden »Gedächtnisfiguren der Barbarei und des Leidens« aufgespürt, und dazu Zensuren verteilt. Die Rückkehr einer Moderne in die DDR darf es nur bei Dissidenten gegeben haben. Die eklatante Abkehr vom »Sozrealismus« der Stalin-Ära seit den 70er Jahren sucht man vergebens. Ehrbare Wissenschaft lässt Kunstwerke politisches Wohl- oder Fehlverhalten demonstrieren. Oder bestenfalls die permanente deutsche Misere repräsentieren.

Der Konflikt war von Staats wegen angelegt. Alle waren Leidtragende. Dass von ihnen oft genug in West und Ost grandiose Kunstwerke entstanden, wäre doch ein lohnendes Thema. Wo gemeinsame Geschichte, verwandte Mentalitäten und gegenseitige Achtung Brücken schlugen, gab es keinen »Clash of civilisations«, als der sich der Kalte Krieg gebärdete. Am Ende hat der Markt mehr polarisiert als alle politischen Kontroversen.

Die Gewichtung der verschiedenen Persönlichkeiten ist eine sensible Sache. Katalogabbildungen purzeln munter durcheinander. Gerhard Richter und Jörg Immendorff sind selbst mit schwachen Proben auf Triumph abonniert. Man ist immerhin froh, Hans Grundig, Hartwig Ebersbach und Hermann Glöckner in gleicher Größe reproduziert zu sehen. Ein Vorzug, den Werner Tübke, Fritz Cremer oder Ronald Paris nicht genießen.

Die sozialkritische Fotografie aus der DDR ist ein Glanzpunkt wiederum auf Kosten einer grafischen Hochkultur, welche überhaupt niemand mehr wahrnimmt. Das Ganze – ein Patchwork von mehr oder weniger Gelungenem. Ein überzeugendes Ergebnis? Kaum.

Germanisches Nationalmuseum Nürnberg, bis 26. September, ab 3. Oktober im Deutschen Historischen Museum, Berlin.

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