Das Sarkozy-Votum

In Frankreich droht niedrige Wahlbeteiligung

  • Ralf Klingsieck, Paris
  • Lesedauer: 3 Min.
Seit Anfang der Woche läuft in Frankreich der offizielle Wahlkampf für die Europawahlen. Insgesamt 161 Listen sind angetreten zum Wettbewerb um die 72 Sitze, die Frankreich im Europaparlament zustehen.

Nach den bisherigen Umfrageergebnissen kann die rechte Regierungspartei UMP mit 26 Prozent der Stimmen rechnen, gefolgt von den Sozialisten mit 21, der Zentrumspartei Modem mit 14 und den Grünen mit 9 Prozent, während die kleineren Formationen nur wenige Prozentpunkte auf sich vereinigen dürften. Mit Besorgnis wird die Absicht vieler Franzosen beobachtet, gar nicht erst zur Wahl zu gehen. Die Prognosen liegen bei 60 Prozent, bei der letzten Europawahl waren es 57.

Nicht nur, dass die Bürger wenig über die Rolle des Europaparlaments wissen und etwa die Hälfte aller Franzosen dem »Europaprozess« sowieso skeptisch bis ablehnend gegenübersteht. Die meisten Parteien sind zudem lustlos und schleppend an die Vorbereitungen der Wahlen herangegangen. Dahinter verbergen sich nicht selten innerparteiliche Differenzen. Mit welcher Herablassung die UMP die Europawahlen behandelt, kann man schon daran sehen, dass etwa Justizministerin Rachida Dati, die ihren Mentor Nicolas Sarkozy enttäuscht hat, nach Straßburg abgeschoben werden soll. Statt eines echten Programms stellte die UMP die Bilanz der französischen EU-Präsidentschaft im zweiten Halbjahr 2008 in den Mittelpunkt.

Auf den größten Wahlkampfmeetings trat Präsident Sarkozy selbst auf, was die Sozialisten zu einer niveaulosen Polemik über die Zweckentfremdung von öffentlichen Geldern und über die Fernsehübertragungszeiten veranlasste. Dies machte es wiederum den Rechten leicht, sich darüber zu entrüsten, dass die Sozialisten zu keinerlei inhaltlicher Auseinandersetzung über Europa imstande seien. Tatsächlich hat sich die PS auch im Europawahlkampf wieder einmal vor allem mit sich selbst beschäftigt, etwa mit der Frage, ob Ségolène Royal ihre tiefe Abneigung gegenüber der Parteivorsitzenden Martine Aubry überwinden und an ihrer Seite auf einem Wahlkampfmeeting auftreten wird. Das ist nun in dieser Woche endlich erfolgt.

Angesichts der Schwächen von UMP wie PS fällt es der Zentrumspartei Modem nicht schwer, sich selbst als einzige ernsthafte Alternative zu präsentieren. Rechtzeitig zum Wahlkampf hat der Parteivorsitzende François Bayrou ein Buch veröffentlicht, in dem er hart mit der Politik von Sarkozy abrechnet. Es ist nicht zu übersehen, dass für Bayrou die Europawahl nur eine Etappe auf dem Weg zur nächsten Präsidentschaftswahl 2012 ist. Darum kandidiert er selbst gar nicht erst fürs Europaparlament.

Die Linksunion aus der Kommunistischen Partei und der neuen Partei der Linken, die an das mehrheitliche Nein der Franzosen zur EU-Verfassung erinnert und ein »Europa des sozialen Fortschritts« fordert, grenzt sich nicht nur zum Lager der Rechten, sondern auch zu den Sozialisten ab. »Die Rechte hat Stiefel angezogen, die PS Pantoffel«, höhnt ihr Spitzenkandidat Jean-Luc Mélenchon. Er bedauert, dass die von Olivier Besancenot geführte Neue Antikapitalistische Partei nicht zur Zusammenarbeit bereit war. Doch in einem ist man sich einig: Das Votum am 7. Juni sollte von den unzufriedenen Franzosen als »Sanktionswahl« gegen Sarkozy und seine Politik genutzt werden.

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